Katastrophentheorie (katastrophische Vergangenheit der Menschheit)


Die Anfänge

Im 17.-18. Jh. gehörten die katastrophistischen Vorstellungen zum geistigen Allgemeingut. Gottesfurcht, Sodom und Gomorra, Sintflut und weitere biblische Schilderungen waren dafür zuständig. Aber auch die noch nicht ganz verschwundenen Erinnerungen an die stürmischen 1300er, die zum Verlust von einem nicht unerheblichen Teil des hollandischen Bodens an das Meer führten, die Bildung des holländischjen und deutschen Wattenmeers verursachten und in vielen weiteren Kataklysmen mündeten, die z. B. bei Gregor von Tour in seiner Fränkischen Geschichte beschrieben wurden. Mit diesen Katastrophen war auch die allgemeine Verschlechterung der klimatischen Verhältnisse im Nord-Westen Europas verbunden, die zu verherenden Folgen führte:

Dann kam der deutsch-französische Gelehrte, der berühmte Naturwissenschaftler Baron GEORGES CUVIER (1769--1832), der die Katastrophentheorie zu einer wissenschaftlichen Theorie machte und behauptete, dass die Menschheit mehrere male durch verheerende globale Katastrophen ausgerottet wurde (und mit ihr auch die sämtlichen anderen biologischen Arten) und das nach jeder solcher planetaren Katastrophe das Leben neu mit aktiver Gotteshilfe entstand. Zu diesem radikalen Schluss führten ihm Anfang des 19. Jh. seine paläontologischen und anatomischen Entdeckungen (Baron Cuvier wird in der Geschichte der Wissenschaft als Gründer der Paläontologie und komparativen Anatomie bertachtet).
Die Theorie von globalen Katastrophen in der Cuvier-Variante konnte ohne kreationistische Komponente nicht existieren und das war ihr schwacher Punkt. Als die Evolutionstheorie bald danach siegte und den Kreationismus für überflüssig erklärte, verschwand die Katastrophentheorie für ca. Hundert Jahre in der Schublade der "wiederlegten" alten Theorien. Bis sie in Anfang des 20. Jh. zuerst von Hörbiger in einer völlig anderen Variante einer Welteislehre nicht bewsonders erfolgreich und in der Mitte des 20. Jh. von Immanuel Velikovsky in Form der Theorie von globalen extraterrestrisch verursachten Katyklysmen mit etwas mehr Erfolg wiederbelebt wurde. (s. auch Weltuntergang: Velikovsky's Lehre und der heutige Neokatastrophismus). Die Bedeutung der der Welteislehre von Hanns Hörbiger hat UweTopper, Berlin, in seinem Eröffnungsvortrag des Berliner Geschichtssalons betont. Er versuchte in diesem Vortrag die folgenden Fragen zu beantworten: Ist Hörbigers Welt-Eis-Lehre eine Spinnerei oder eine geniale Vision? In welcher Weise hat sie die Katastrophenthese befruchtet und was können wir davon heute noch verwenden? Wie die Lehre zur Kürzung der Menschheits- und Naturgeschichte führt, zeigt er im Artikel über Höhlenkinder.

Katastrophismus im Berliner Geschichtssalon

Für die deutsche Chronologiekritik hat die Katastrophentheorie von I. Velikovsky und seine Überlegungen zur Kürzung der Chronologie eine sehr wichtige Rolle gespielt. Wir haben diese Rolle im Zusammenhang mit unserer Beschreibung der Anfänge der entsprehenden Aktivitäten im deutschsprachigen Raum (s. GRMNG, Christoph Marx, Gunnar Heinsohn und andere Autorenseiten) schon erwähnt. Hier möchten wir eine andere Sicht der Dinge präsentieren und zitieren darum Christian Blöss aus seinem Text zur Geschichte des Berliner Geschichtssalons:

1950-56: Immanuel Velikovsky (1895-1979) hatte die Chronologie des Altertums einer nachhaltigen Revision unterzogen und globale Naturkatastrophen als Agenten der Geschichte erkannt. Er eröffnete 1950 - seinerzeit noch auf nahezu verlorenem, wenn auch keineswegs auf übersehenem Posten - erneut die Katastrophismus-Debatte. Diese Debatte war mehr als 100 Jahre zuvor mit der Entstehung des aktualistischen Evolutionsparadigmas, das mit den Namen Lyells und Darwins verbunden ist, zusammengebrochen. Die von Velikovsky verfochtene These extraterrestrischer Ursachen besagter globaler Katastrophen trug zur Exponiertheit seines Standpunktes noch bei.

ab 1972: In den 70er Jahren brach im englischen Sprachraum erneut eine "Velikovsky-Debatte" aus. Das wurde auch auf die Ergebnisse der Apollo-Missionen zum Mond zurückgeführt, die einige der Thesen Velikovskys, die die Astrophysik betrafen, bestätigt hatten. Es erschienen bereits Journale über die von Velikovsky angestoßenen Themen - insbesondere eben "Chronologie" und "Katastrophismus" - wie PENSÉE und KRONOS in den U.S.A oder S.I.S.-REVIEW in England, als in Deutschland noch komplette Ahnungslosigkeit über die Möglichkeit herrschte, derart weitreichende Fragen an unsere Geschichte stellen zu können.

1978: Für uns ging es los, als Gunnar Heinsohn 1978 einen Artikel über die Thesen Velikovskys im Freibeuter, einer in Berlin erscheinenden Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik, veröffentlichte. [...]

1978: Mit der Wiederveröffentlichung von Velikovskys Hauptwerk "Welten im Zusammenstoß" (1978 im Umschau Verlag, Frankfurt a.M.) wurde nun auch in den deutschsprachigen Ländern Forschungsanstöße gegeben, die mit unterschiedlichsten Fragestellungen verbunden waren: Wie ist das Kindestötungsverbot entstanden? Reichen die historischen Wurzeln des Antisemitismus bis in die von Velikovsky rekonstruierte Katastrophenzeit zurück? Gibt es ein "Menschheitskollektiv"? Wie funktioniert die Evolution der Arten tatsächlich, wenn das Ökosystem "Erde" so nachhaltig von Katastrophen beeinflußt wurde? Wie alt ist die Erde? Wann setzte die Bronzezeit tatsächlich ein? Wie entstand das Privateigentum? Wie funktioniert Gravitation? ...

1982-88: Zu den Gründungsmitgliedern der "Gesellschaft zur Rekonstruktion der Menschheits- und Naturgeschichte" (GRMNG) gehörte auch Christoph Marx, der u.a. zwei Bücher Velikovskys ins Deutsche übersetzt hatte und einen eigenen Verlag ("Podium Akademisches Forum" - P.A.F.) besaß, der von 1982 bis 1988 sechzehn sogenannte Quarthefte für die GRMNG herausgab, die sich auf die eine oder andere Weise mit chronologischen Fragen der Menschheits- und Naturgeschichte auseinandersetzten. [...]

1988-91: Ab 1988 veröffentlichte der harte Kern der "deutschen Velikovskyaner" - die längst auch zu Kritikern von Velikovskys Schlußfolgerungen geworden waren - im Eichborn-Verlag (Frankfurt a.M.) 6 Bücher, die den seinerzeitigen Stand der Debatte über die Chronologie der Menschheits- und Naturgeschichte darlegten und mittlerweile vergriffen sind, von dem Verlag aber nicht neu aufgelegt wurden. Diese Bücher hinterfragten - um es auf einen Nenner zu bringen - die modernen Selbstverständlichkeiten in zeitlicher Hinsicht ("langsam, aber dafür stetig") und kausaler Hinsicht ("was wir heute an Ursachen erkennen, ist ein Generalschlüssel für unsere gesamte Vergangenheit"). Die Titel dieser Bücher waren Programm:

Marx, PAF und Katastrophentheorie

Die bereits von Velikovsky gesammelten und analysierten Zeugnisse für weitere drei globalen Katastrophen (Kataklysmenserien) in der relativ nahen Vergangenheit des Menschen (in der ganzen Menschheitsgeschichte sollen planetare Kataklysmendie ausschlaggebende Rolle für die Entwicklung der alten Kulturen gespielt haben), die hier in der Reihenfolge der Nähe an die heutigen Tage aufgelistet sind: