Welteislehre (WEL)


Anmerkungen zu Hanns Hörbigers "Welteislehre"

Wir zitieren von dieser WEB-Seite über Hanns Hörbiger's Monumentalwerk, sein Entwurf der "Glazial-Kosmogonie", die berüchtigte "Welteislehre" (WEL). s. auch Mondmythen

Ihr Schöpfer berief sich auf "Inspiration", war weder Astronom noch Astrophysiker, weder Geologe noch Meteorologe, sondern Ingenieur für Kühlmaschinen - vertrat aber den Universalanspruch einer von ihm in jahrzehntelanger Arbeit begründeten und 1913 veröffentlichten Lehre, die auf jenem Geistesblitz beruhte, der ihn einst beim Grübeln über das wechselhafte Oberflächenrelief des Mondes traf: bestanden etwa die Oberflächen sämtlicher Planeten und Körper unseres Sonnensystems, speziell auch die glitzernde Milchstraße, aus Eis? Entstand das All gleichsam aus einem kosmischen Schöpfungsakt, aus der Vereinigung eines Eisriesen mit einer Glutgigantin, die als Sternenmutter unser Planetensystem hervorbrachte? Beruht alles kosmische Geschehen auf dem ewigen Kampf des Eises mit dem Feuer?

Das Widerspiel polarer Kräfte bietet sich als naheliegend an, um kosmisches Geschehen zu erklären. Schon den Griechen galt das Feurige und das Kalte als Urpolarität der Schöpfung. Die chinesische Lehre vom Tao des Himmels, der Erde und der Menschen hat in den Prinzipien von Yin und Yang die tiefe Wahrheit von der dynamischen Kraft der Gegensatzeinheit bewahrt, der auch den Lichtglauben unsere Ahnen in ihrer Beobachtungsfeinheit und Lebensweisheit als lebendiges Wissen fundierte, wovon die vorzeitlichen Berichte der Edda Zeugnis ablegen, wenn man sie nur richtig zu deuten versteht. Die Edda enthält nicht müßige Schwätzereien, sondern in ihren mythologischen Bildern ernstzunehmende Quellen zur Entstehung der Welt und der Menschheit. Gerade sie ist eines der bemerkenswertesten Zeugnisse menschlicher Geistesgeschichte, angefüllt mit geheimnisvoller Weisheit aus Urzeiten - und Vorschau auf künftige Ereignisse. Im Gylfaginning der Edda etwa liegt uns ein germanischer Schöpfungsbericht vor - und zwar in Form einer Erzählung über die Reise eines Eingeweihten in die Wohnstätte der Götter. Dabei erfahren wir nicht nur, daß auch die Götter, wie die Menschen, nichts anderes sind als Erzeugte Allvaters, sondern auch, daß Feuer und Eis der Ursprung allen Lebens, Urelemente der Schöpfung sind. Unsere Welt entstand, als sich heiße Geistfunken aus Flammenheim in den aus Nebelheim hervorquellenden Eisströmen verfingen. Allvater weilte bei den Eisriesen, bevor Himmel und Erde gemacht waren. Die "Eisriesen" stehen symbolisch für den kalten, leblosen Stoff im Gegensatz zum belebten, feurigen Geist. Am Anfang steht die Urgewalt in Gestalt des Riesen Ymir, symbolisch eine Vorstufe der materiellen Welt, denn aus Ymir erbauen die Götter die Erde - der Geist bemächtigt sich des Stoffes. Offenbar im Sinne kosmischer Polarität bestanden "Wärme" und "Kälte" bevor unsere Welt geschaffen war; aus ihrer Wechselwirkung entsteht Feuchtigkeit - und diese erhärtet zu Eis und füllt das gähnende Nichts des Weltengrunds.

Der fast schon erloschene Funken dieser Erkenntnis, die dem Grundgedanken der WEL so auffallend entspricht, war nach Jahrzehntausenden in Hörbiger neu aufgeflammt. Nach glazialkosmogonischer Ansicht steht am Anfang die Begegnung einer gigantischen, die Größe unserer Sonne vielfach übertreffenden "Glutmutter" mit einer gewaltigen Eismasse, die befruchtend in den Leib der Sternenmutter eindrang und zu einer urgewaltigen kosmischen Explosion, schließlich zur "Geburt" unseres Sonnensystems führte. - Die berufsbedingten Umstände, die Hörbiger zur Idee der WEL gedrängt haben - und wie er dieser schließlich Gestalt schenkte, schildert in anschaulicher Weise das Buch "Welteis - Roman um ein Weltbild" von H. R. Hörbiger und M. Soeser, das Anfang der 50er Jahre im Verlag Karl Kühne erschien. Es verdeutlicht die WEL als Versuch, die altnordische Erkenntnis vom ewigen Streit polarer Gegensätze, vom Kampf von Glut und Eis, Licht und Finsternis, also den tiefsinnigen Urgrund der Edda in ein naturwissenschaftliches Weltbild zu übertragen, das freilich - dem Glauben ihrer treuesten bzw. fanatischsten Anhänger alter Schule zum Trotz - bei nüchterner Betrachtung vor allem als Naturmythos wirkt, der die Erde und das All als lebenden Organismus begreifbar macht, womit einerseits das akademische Urteil über den Wert der Hörbiger'schen Hypothesen schon gesprochen ist, aber auch angedeutet, weshalb es sich immer noch lohnt, sich mit mit diesem genialen Wurf auseinanderzusetzen!

Die Erstausgabe des Hauptwerks der WEL, fast 800 engbedruckte, großformatige Seiten, enthält die Forschungsergebnisse von fast 20 Jahren, die Hörbiger mit Hilfe des befreundeten Lehrers und Privatastronomen Philipp Fauth zu Papier gebracht hatte, durchsetzt mit entsprechend zahlreichen korrigierenden Einfügungen oder erweiterten Rückgriffen. Nicht zuletzt durch seine mangelhafte Gliederung und Systematik stellt das unproportionierte und aufgedunsene Werk hohe Anforderungen an die Aufnahmebereitschaft des Lesers. Empfehlenswert für den ernsthaft Interessierten ist daher zunächst in jedem Fall Wolfgang Behms gemeinverständliche und auf knapp 50 Seiten sehr übersichtlich gestaltete Einführung in die Grundlagen der WEL, die in den 20er Jahren unter dem Titel "Welteis und Weltentwicklung" zahlreiche Auflagen erlebte.

Max Valier, der akademisch geschulte ehemalige österreichische Fliegeroffizier und geniale Raketenpionier, hatte Hörbiger Anfang der 20er Jahre angeboten, die "Glazial-Kosmogonie" in wissenschaftlich überarbeiteter Form, "gestrafft und gerichtet" neu herauszugeben, wollte dieses Vorhaben ursprünglich sogar mit seiner geplanten Dissertation verbinden, obwohl ihm im Juli 1919 Professor Oppenheim unumwunden erklärte, er würde keine wie auch immer geartete Arbeit annehmen, die mit dem "ausgemachten Schwindel" der WEL in Verbindung stünde. Hörbiger lehnte brüskiert ab - und verpaßte damit eine Gelegenheit, sein Werk in angemessener Weise aufbereiten und akademisch "standardisieren" zu lassen.

Valier überarbeitete stattdessen Suryas 1909/10 aus einer Artikelfolge im "Zentralblatt für Okkultismus" entstandene "Okkulte Astrophysik" zur 1922 erschienenen und auch noch heute mit Gewinn zu lesenden "Okkulten Welltallslehre". Als Meta-Physiker im besten Sinne befaßte sich Valier zunehmend mit grenzwissenschaftlichen Problemen, verfaßte Aufsätze für verschiedene Okkultzeitschriften, etwa auch die von Brandler-Pracht im Linser-Verlag herausgegebene "Psyche", und veröffentlichte entsprechende Kleinschriften wie "Das transzendentale Gesicht", "Dinge des Jenseits", "Des Urseins Dreifaltigkeit" oder "Weltuntergang".

1924 veröffentlichte der rastlose Arbeiter im Rahmen der Welteis-Bücher des Voigtländer-Verlags eine "Gemeinverständliche Einführung in die Himmelskunde" unter dem Titel "Der Sterne Bahn und Wesen"; darin heißt es zur WEL: "Denn dieses ist in Wahrheit das Größte an der Welteislehre, daß sie das Sternenall vor unserem Geiste als ein Lebendiges erstehen läßt, als ein unserem Sein nicht drohend Fremdes, sondern unserem Leben innigst Verbundenes, mit einem Worte als das Ganze, dessen nach dem obersten Lebensgesetz des Weltenplanes eingeordneter Teil auch wir selber sind!" - Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete Valier praktisch am Problem eines Raketentriebwerks. Sein für Opel entwickelter Pulverraketenwagen hatte ihn bereits berühmt gemacht, als er am 17. Mai 1930 bei Rückstoß-Experimenten zur Verbesserung der Brennkammern einer Flüssigkeitsrakete ums Leben kam.

Der Universalanspruch der WEL und Hörbigers Neigung zur vorbehaltslosen Formulierung gewagtester Thesen

machten es der Schulwissenschaft leicht, sein Werk als die Arbeit eines größenwahnsinnigen Dilettanten abzuqualifizieren. Allein die Methode, kosmische Wahrheiten durch schlichte "Naturbeobachtung" ableiten zu wollen, noch dazu durch die eingeschränkte Wahrnehmung der menschlichen Sinne, muß der "modernen" Wissenschaft dürftig und "veraltet" erscheinen. Negativ machte sich auch eine gewisse Starrköpfigkeit bemerkbar, mit welcher der alte Mann an seinen Findungen festhielt, was dazu führte, daß der Versuch einer teilweisen Revision bzw. Anpassung der WEL an die Erkenntnisse der Astrophysik erst im Laufe der 30er Jahren erfolgen konnte. Die Annahme eines ewigen Kampfes zwischen kosmischer Glut und kosmischem Eis ergab ein polares Weltbeschreibungs- und -deutungsprinzip, das mit den kosmogonischen Vorstellungen uralter arischer Mythen übereinstimmt - und der Wissenschaft gerade darum suspekt, wenn nicht abwegig erscheinen muß. Für die Existenz von Eis bzw. Wasser im Weltraum an sich gab es keinerlei Beweise, geschweige denn Grund zur Annahme, daß ausnahmslos alle Himmelskörper mit Ausnahme der Fixsternsonnen aus Eis bestünden, oder doch zumindest von Eispanzern umhüllt seien. Eine Scheidung der kosmischen Körper in zwei Gruppen, Glutgestirne und Eismassen, bestehe offenbar nur in den Köpfen der "Welteisgläubigen", lautete die vernichtende Kritik.

Ferner setzte die WEL einen Mediumwiderstand im All, basierend auf Wasserstoff oder dem "Äther", die Begrenztheit von Gravitationskräften im endlichen Raum, insbesondere des Schwerefelds der Sonne sowie die Existenz astrophysikalisch eigentlich undenkbarer Riesenmassensterne voraus. Entsprechende Sternriesen - Antares, Beteigeuze etc. - wurden schließlich wirklich entdeckt, allerdings scheinen sie nicht jene extrem hohe Dichte aufzuweisen, die Hörbiger anzunehmen beliebte, weil er noch nicht genügend über entsprechende "Reaktorsonnen" und den Zusammenhang von Masse und Energie wissen konnte. Aber die Existenz solcher Riesensterne überhaupt nur in Erwägung zu ziehen - verübelte man dem alten Hörbiger, obwohl sich der Gedanke einer notwendigen Existenz von "Zentralsonnen" vor einem Vierteljahrtausend bereits Kant und Lambert aufdrängte. Auch um die Existenz von Eis im Weltraum wissen wir heute - in Mengen, die zeitgenössische Kritiker hätten aufhorchen lassen: Nicht nur dürfen die äußeren Planeten unseres Sonnensystems - speziell deren Polkappen - heute als "vereist" gelten, auf dem Neptun wurden Eismeere aus flüssigem Stickstoff entdeckt und Hörbigers Postulat einer transneptunisch-zirkumplanetaren Eiskometenwolke wird durch jüngste Beobachtungen gestützt. Aus Eis bestehen ferner natürlich auch, wie einst vom verlachten Hörbiger angenommen, die Ringe des Saturn.

Vor fünf Jahren entdeckte die NASA selbst auf unserem Mond, wo es doch angeblich gar kein Wasser geben könne, Milliarden Tonnen von Eis - und zwar am Südpol. - Hörbigers Zweifel an der allgemeinen Gültigkeit des Newton'schen Gravitationsgesetzes in den Weiten der Fixsternräume schließlich scheinen heute berechtigter denn je und werden von Anhängern der Quantentheorie längst geteilt... - Damit soll nicht darüber hinweggetäuscht werden, daß sich manche der Ideen Hörbigers, insbesondere auf dem Gebiet der Meteorologie, aufgrund von Irrtümern und Interpretationsfehlern als unhaltbar erwiesen. Wer auf kosmogonische Fragen nach dem Werden und Vergehen im All Antwort sucht, dem muß man aber wohl oder übel auch Irrtümer zugestehen, vielleicht sogar nachsehen, wenn er sich berauscht an der phantastischen Stimmigkeit der eigenen Gesichte, an der Beglückung durch eine neue metaphysische Übergewalt im Sinne der Platonischen Weltseele.

Denn die Einführung des Eises als "Weltbaustoff" des feurigen Geistes bedeutete die Schaffung der ideengeschichtlichen Grundlage eines kosmischen Dramas von so unglaublicher Größe, daß sich jedes einigermaßen zu poetisch-schöpferischem Denken fähige Gehirn daran entzünden und der Gefahr stellen muß, von kühnsten kosmischen Bildern fortgerissen zu werden. Und muß man auch einräumen, daß Faszination und Stärke der WEL wesentlich im Mythischen begründet liegt, so steht doch zu erwägen, daß es dem Menschen anders als gleichnisweise, also im Mythos, gar nicht gegeben ist, zu großen, abstrakten Wahrheiten vorzudringen. Und vielleicht ergibt erst die Summe und Übereinstimmung der Mythen Wahrheit.

Mit logischen Ableitungen aus den verfügbaren "Fakten" allein lassen sich die Rätsel von Werden und Sein jedenfalls nicht lösen - es bedarf dazu schon ein wenig mehr, nicht zuletzt auch schöpferischer Phantasie. Man macht es sich also wahrscheinlich doch ein wenig zu einfach, wenn man die WEL insgesamt als längst überholtes Ergebnis eines einst aus bloßem ungeprüften Augenschein erwachsenen Trugschlusses abtut. - Viel fruchtbringender könnte es sich erweisen, einmal darüber nachzudenken, ob der ewige Konflikt zwischen "Eis und Glut" nach Hörbiger nicht trefflich mit der Gegensatzeinheit "Materie und Energie" korrespondiert, deren Erkenntnis im vergangenen Jahrhundert ihren Siegeszug antreten durfte. Zumindest dem Esoteriker dürfte dies einleuchten. Bedeutet Einsteins vielgerühmte Formel doch nichts anderes, als daß Materie eine besondere Zustands- oder Erscheinungsform von Energie darstellt - was an den alten armanischen Grundsatz erinnert, demzufolge Materie verdichteter Geist ist. Die moderne Wissenschaft, der dergleichen kaum jemals über die Lippen käme, sagt nichts anderes, wenn sie über die "elektromagnetische Struktur der Materie" referiert.

Der Glaube an einen Urfeuer-Schöpfungszusammenhang

ist allen arischen Völkern eigen - aber wie das Licht die Dunkelheit, so braucht auch das Feuer einen Gegenpol, um sich dynamisch entfalten zu können: das Wasser (Eis). Übertragen auf die Menschheitsentwicklung finden wir in der Edda den entsprechenden Konflikt zwischen Asen und Wanen. Das Weltgeschick selbst wird für manchen Esoteriker vom Kampf der Sonne mit ihrem alten Widersacher, dem kalten, eisberingten Saturn bestimmt, vom äußersten der "alten" Planeten, der ihnen als Grenze des Lichts, das er in Dunkelheit auflöst, als Verkörperung der äußersten zentrifugalen Kraft, die in dynamischem Gleichgewichtsgegensatz zur zentripetalen Macht des Sonnenlogos steht, erscheint.

Dem Saturn (nach traditioneller Zählweise der "siebte" Planet; die transaturnischen Planeten Uranus, Neptun und Pluto wurden erst 1781, 1846 und 1930 entdeckt und gelten der WEL als "zugewanderte" Himmelskörper, die von der Sonne eingefangen wurden wie unser Mond durch die Erde) kann die Hagal-Rune (die siebte Rune im "Liede des Hohen" der Edda, wo sie als Gegenkraft zur Feuerlohe genannt wird) zugeordnet werden, eines der ältesten und im Norden wie in Mitteleuropa gebräuchlichsten Bildzeichen in Form eines sechsstrahligen Schneekristalls, aus dem die Kirche schließlich das sogenannte "Christusmonogramm" ableitete.

Die Rune ist nicht nur ein Symbol des Weltbaumeisters, das den Weltenbaum Yggdrasil, das "Allumhegende" (ALL-HAG) darstellt, sondern steht esoterisch ganz allgemein für das Ergebnis der schöpferischen Vereinigung zweier polarer Prinzipien: MAN + YR = HAGAL. - Als altes Geburtszeichen erhielt sich der Hagal-Stern bis in die Gegenwart in entsprechenden Urkunden und Stammbaumaufzeichnungen. Ist es ein Zufall, daß dies Runenzeichen in seiner Schneekristallform ein so treffliches Sinnbild der Hörbiger'schen Kosmogonie abgibt, für welche die Befruchtung einer Glutmuttergigantin durch einen Eisriesen und die Geburt einer Eisgalaxie charakteristisch ist? Nach Guido List birgt "Hag-al" die Zeugungskraft des göttlichen Urwesens, Marby weist ihr die Losung "Zeuge das Heil" zu. Geist und Stoff schufen das Krist-ALL.

Ein alter skaldischer Merkspruch, den wir in ähnlicher Form auch im altnorwegischen Runenlied überliefert finden, formuliert einen entsprechenden Schöpfungszusammenhang: "Hagal er kaldastar korna - Kristr skop haemenn forna", d.h. "Hagel ist das kälteste Korn (vgl. Korn - Kern - Same zum Neuerstehen; man beachte auch die phallische Nebenbedeutung von lat. cornus = Lanze bzw. cornutus der Ge-hörnte!) - Kristus schuf die uralte Welt". Einen befruchtenden Zeugungsakt deutet schließlich auch Olaus Wormius in seiner "Litteratura Runica" (Kopenhagen 1651) an, wenn er schreibt: "Hagl bezeichnet den Hagel und er wird ein 'Korn' genannt, sowohl wegen seiner äußeren Gestalt, dann auch, weil er beim Fallen wie Samen überallhin scheinbar zerstreut wird." - Die Beschäftigung mit der WEL erscheint uns angesichts derartiger Übereinstimmungen und Entsprechungen auf der Suche nach kosmischer Wahrheit, die nur jenseits von "richtig" und "falsch" zu finden sein wird, nach wie vor wertvoll.

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1913 veröffentlichte Hanns Hörbiger in dem Buch "Glazial-Kosmogonie" seine Theorie der "Welteislehre". Hermand vermutet, daß Hörbigers Theorie auf den Zukunftsroman "Planetenfeuer" (1899) des Nationalökonomen Max Haushofer zurückgehe, in dem dieser das Bild der Stadt München nach Jahrzehnten einer sozial-liberalen Koalition im Jahre 1999 entwirft. Die sich dort langweilenden, drogensüchtigen und gebärfaulen Menschen werden erst durch einen Meteorregen aus ihrer "Versumpfung" befreit.(93) Hörbiger stellte die These auf, die Erde ziehe von Zeit zu Zeit andere Planeten des Sonnensystems in ihren Schwerkraftbereich - wegen deren Umlauf-'Bahnschrumpfungen'- und 'schlucke' sie nach einer Übergangsphase schließlich. Bei dem Zusammenstoß von Erde und Ex-Planet komme es - folgerichtig - zu gigantischen Katastrophen: Sintfluten, Vulkanausbrüche und Erdbeben. Bevor der Planet nun endgültig mit der Erde kollidiere, verweile er einige Zeit in einer Umlaufbahn um die Erde und mache ihr den Mond. Folgerichtig gäbe es für die Erde Zeiten - vor der Katastrophe - in denen sie einen Mond besäße, die sogenannte Mondeszeit, und eine Zeit nach der Katastrophe, die mondlose Zeit. Die mondlose Zeit wurde von den Vertretern der Welteislehre als `Ruheperiode' gesehen, in der sich die Menschheit jeweils - da von Katastrophen ungetrübt - entfalten könne: Das Goldene Zeitalter.(94) Dennoch stellt sich Hörbigers Geschichtsbild als Abfolge von Katastrophen dar, die - da vom Menschen unbeeinflußbar - hingenommen werden müssen. Auch noch so große Kulturen müssen demnach vergehen, und auch die Erde selbst wird eines Tages aufgrund ihrer eigenen 'Bahnschrumpfung' in der Sonne verglühen [...]

Bei den Adepten von Hörbigers Welteislehre bewirkt das Nahen des Mondes den Untergang der Atlantis. Der Mond wird hier durchaus nicht nur als Planetentrabant gesehen, sondern auch mythologisch interpretiert. So etwa bei Kiß, dessen Figuren "irgendeine geheime Furcht" vor dem Mond, "der Verkörperung des Bösen"(245) haben.

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Uwe Topper über die Bedeutung der Welteislehre von Hanns Hörbiger aus der Sicht der Katastrophentheorie

Wie UweTopper, Berlin, 1994 in seinem Eröffnungsvortrag des Berliner Geschichtssalons betonte, ist die Hörbigers Welt-Eis-Lehre keinesfalls eine Spinnerei sondern eher eine geniale Vision. In welcher Weise hat sie die Katastrophenthese befruchtet und was können wir davon heute noch verwenden? Diese Frage wurde im genannten Vortrag nur teilweise beantwortet und bedarf noch weiterer Überlegungen. Sie werden durch die Tatsache erschwert, dass das Buch von Hörbirger nicht leicht zu bekommen ist: nur in größeren Bibliotheken oder zu einem verhältnismäßlich hohen Preis (s. Literaturangaben unten).
Besondere Erwähnung verdient die Erinnerung von Uwe Topper an seine Jugend und die Ideen, die in der Zeit sein Weltbild geformt haben. Diese Erinnerungen beinhalten auch die Diskussionen der Erwachsenen über die Hörbiger's Welteislehre. Sie führen ihm zu Überlegungen über solche drastische Kürzungen der Naturgeschichte, die sogar den radikalen Kritikern der entsprechenden konventionellen Vorstellungen G. Heinsohn und H. Illig für zu radikal erscheinen könnten.
U. Topper betont, dass in der Nachkriegszeit die Lehre Hörbirgers zu einer Tabu-Theorie erklärt wurde: "Aber selbst heute kann man seinen Namen kaum erwähnen, ohne sofort auf Ablehnung zu stoßen. Obgleich er die Gnade des frühen Todes hatte (1931) und Österreicher war, wird von wissenschaftlicher Seite heute als Ablehnungsgrund vorgebracht, daß er auch im 3. Reich Anhänger gehabt hätte. Es stimmt sogar, daß sich einige Leute im Ahnenerbe für ihn einsetzten und Himmler im Frühling 1938 - also ein Vierteljahrhundert nach der Erstveröffentlichung - seine Zustimmung gab, die Welteislehre, wenn man sie bereinigen und auf den neuesten Stand bringen würde, als Forschungsgegenstand gelten zu lassen."
Der Analyse der Rolle, die die Welteislehre in der rechten Weltanschauung spielte und spielt, ist der folgende Beitrag gewidmet. Wir betonen an dieser Stelle noch einmal, dass der wahre Wert einer wissenschaftlichen Theorie nicht durch die Anerkennung oder Ablehnung durch Staaten, Bewegungen, Ideologien, Wissenschaftsestablishment oder Religion bestimmt wird, sondern alleine aufgrung ihrer Fähigkeit, die zu beobachtenden Phänomene dieser Welt plausibel zu erklären. Wenn wir all die wissenschaftlichen Theorien ablehnen würden, die im Stalin-Russland intensiv entwickelt wurden, dann sollten wir auf die ganzen Natur- und Ingenierwissenschaften zusammen mit der Mathematik verzichten müssen und dann blieben fast nur noch Kybernetik, Genetik, Teologie und Witzeerzählen als koschere Wissenschaften übrig.

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Franz Wegener, M.A.:


Das Atlantidische Weltbild


Über Genese und Funktion des Atlantidischen Weltbildes

- Internet-Edition Gladbeck 1997
http://www.intro-online.de/atlantis.html; English abstract: http://www.intro-online.de/atlantiseng.html

Der Historiker Franz Wegener arbeitet eine bisher nicht bekannte Verbindungslinie zwischen Theosophen, Ariosophen, Anthroposophen, Vertretern der Konservativen Revolution, Welteislehre-Anhängern, Nationalsozialisten und Neuen Rechten in Deutschland und Frankreich heraus: Die populärwissenschaftliche Umsetzung des Atlantismythos in einer nordistisch-rassistischen Variante.

Schlußwort

Ausgangspunkt dieser Untersuchung war die Fragestellung nach der Einordnung einer Behauptung eines führenden neurechten Theoretikers, Alain de Benoist: Die Behauptung der historischen Existenz einer nordischen Atlantis deren verbliebener Teil die Insel Helgoland sei. Benoist Behauptung konnte in den entsprechenden ideengeschichtlichen Rahmen eingepaßt werden, nachdem eine bisher nicht existente Übersicht über die historische Genese des populärwissenschaftlich verbrämten, nordistisch-rassistischen Atlantismythos erarbeitet worden ist. Vorläufer und Nachfolger lassen sich dieser Übersicht entnehmen. Speziell für Benoist läßt sich festhalten, daß sich seine Behauptungen über Spanuth etwa aus Quellen der Organisation "Ahnenerbe" der SS speisen und die eigentliche Idee, Atlantis sei mit Helgoland identisch, von Heinrich Pudor stammt. Der völkische Autor Pudor beschrieb die Idee zuerst 1931 in "Völker aus Gottes Athem - Atlantis-Helgoland das arisch-germanische Rassenhochzucht- und Kolonisations-Mutterland".

Anhand der erarbeiteten Übersicht wurde die Feststellung möglich, daß der Atlantismythos die Geschichte des Rechtsradikalismus durchzieht wie ein roter Faden: Von den Ariosophen, die in der Inkubationsphase des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielten, diversen völkischen Autoren in den Zwanziger Jahren, Nationalsozialisten wie Wirth und Rosenberg bis hin zur europäischen Neuen Rechten und deutschen Neo-Nazis. Diese Kontinuität legte eine nähere Untersuchung von Funktionen und Wirkmechanismus des Mythos nahe. Zunächst wurden seine Funktionen untersucht: Der Mythos sollte - salopp gesprochen - getreu dem Motto "Zurück in die Zukunft" in der pseudo-historischen Retrospektive über seine paradiesische Bildwelt sinnstiftend als Zielperspektive im politischen Alltagskampf motivieren; er sollte in der Unterstellung einer gemeinsamen Ausgangskultur eine strömungsübergreifende, antipluralistische, integrale Funktion entfalten und zugleich über die Behauptung einer einstmals weltbeherrschenden Atlantis künftige territoriale Expansionen subtil über das Argument einer bloßen Wiederinbesitznahme rechtfertigen helfen. Zugleich liefert das Inselbild für einen Autor, der durch die Präsentation einer stimmigen Vision überzeugen will, eine leichter zu beschickende Projektionsfläche: Totalitär-rassistische Gesellschaftsentwürfe lassen sich in einer aufgrund der geographischen Insellage von äußeren, störenden Einflüssen vollständig abschottbaren Gesellschaft leichter stricken und glaubwürdiger darstellen. Die Glaubwürdigkeit der Darstellungen sollte zudem durch den (populär)wissenschaftlichen Anspruch der Autoren erhöht werden.

Um dem Wirkmechanismus des Mythos näherzukommen, wurden die Äußerungen eines italienischen Atlantisautoren, die des Barons Julius Evola, verfolgt. Evola zeichnete sich durch einen hohen Grad an Reflexion der Ziele seiner Autorenschaft aus. Seine Überlegungen gingen auf George Sorels Theorie der Mythen zurück. Sorel sah im Mythos eine Ordnung von Bildern, die imstande wären, unwillkürlich Gesinnungen und so auch soziale Bewegungen zu erwecken. Der Schwerpunkt der weiteren Untersuchungen mußte folglich auf den mit dem Mythos transportierten Bildern liegen. Um nun das Kernbild des vorliegenden Atlantismythos bloßzulegen, wurden zunächst alle wiederholt transportierten Bilder auf ihre mögliche, eigenständige ideengeschichtliche Genese befragt. Das Bild vom Norden, vom Gottmenschen, vom reinen Blut, vom Mond und vom charismatischen Führer konnten so isoliert und abgespalten werden. Übrig blieb das Bild der Insel. Unter Hinzuziehung eines psychoanalytischen Axioms konnte nun die nach Barthes strukturalistischen Ansatz zu erwartende, neben dem sichtbaren Bild der paradiesischen Insel existierende, parasitäre Bedeutung des Bildes erschlossen werden: Das Streben nach dem Tod.

Zu leisten blieb die Einordnung des Untersuchungsergebnisses in bestehende Interpretationsansätze. Da viele der gefundenen und untersuchten Autoren von Mohler unter dem Schlagwort der "Konservativen Revolution" verortet wurden und er sich sehr früh zu einer Erforschung von "Gedanken, Bildern und Träumen"(387) bekannte, lag es nahe die Untersuchungsergebnisse mit seiner Definition der Konservativen Revolutionäre als Anhängern eines zyklischen Weltbildes abzugleichen. Unter den zahlreichen Autoren, die sich in den letzten Jahren mit Mohlers Thesen befaßten, nahm sich Breuer auch der "tiefer gelegenen Ebene der Mentalitäten, des symbolischen und bildhaften Denkens"(388) an. Grund genug, das Ergebnis auch mit seiner These von den neuen Nationalisten als Anhängern eines apokalyptischen Weltbildes zu kontrastieren. Da die untersuchten Autoren in keine der beiden "Schubladen" paßten, mußte eine neue aufgezogen werden: Sie können meines Erachtens als Anhänger des atlantidischen Zielbildes gelten; ein Zielbild, das seine Träger unbewußt in sich beschleunigender Bewegung der Selbstzerstörung entgegeneilen läßt.

Die oben dargelegte, psychohistorische Analyse des Kernbildes des Atlantismythos läßt es nun angesichts der Rezeption des nordistisch-rassistischen Atlantismythos durch führende NS-Funktionäre - Wirth, Rosenberg, Himmler, Hitler - möglich erscheinen, daß sich die suizidale Ideenkraft des Mythos in dem aufgezeigten Willen zur Vernichtung, der schließlich in einem alle Dimensionen sprengenden Krieg gegen andere und sich selbst mündete, destruktiv konkretisierte. Dies hieße allerdings den Stellenwert des Mythos im Weltbild der vier deutlich zu überschätzen: Ist der Mythos für Wirth noch von zentraler Bedeutung, so ist er bei Rosenberg, Hitler und Himmler nur noch eine Facette eines synkretistischen Weltbildes, das sich aus hunderten von konzeptlos zusammengewürfelten mythischen Mosaiksteinen zusammensetzt. Ein Blick in Rosenbergs "Mythus" mag hier als Beleg genügen. Den Nationalsozialismus monokausal psychohistorisch erklären zu wollen - noch dazu unter Rückgriff auf ein einziges pyschoanalytisches Axiom -, hieße die zahlreichen anderen Faktoren, die zweifelsohne zur Genese dieser Bewegung beitrugen - seien sie nun politischer, ökonomischer oder struktureller Natur - fahrlässig zur Seite zu schieben. So muß Amery entschieden widersprochen werden, wenn er postuliert, alle Deutschen ständen in den Tiefen ihres Unbewußten mit einem Bein auf der Atlantis - und damit nach seiner Ansicht im Ideenreich des Nationalsozialismus. Dies mag für einige der hier untersuchten Autoren und einige hunderttausend Rezipienten in der Vergangenheit und einige wenige Autoren und Rezipienten in der Gegenwart zutreffen - aber sicherlich nicht für das Kollektiv.

Bei der Analyse politischer Bewegungen darf aber dennoch die Analyse der von den Beteiligten tradierten und rezipierten Bilder nicht vernachlässigt werden. Ist das gewünschte Ziel das Stoppen einer bestimmten politischen Bewegung, so ist nach den vorliegenden Ergebnissen zu empfehlen, die Akteure dieser Bewegung von dem Reaktor, der ihre Bewegung antreibt, abzukoppeln: Dies kann durch den Entzug der verschriftlichten Bildvorlagen erfolgen oder aber auch durch die Aufdeckung der verborgenen Mechanismen hinter dem Mythos: Wer um die Gefahren einer Suchterkrankung weiß, kann sich von den sie auslösenden Drogen fernhalten oder sie nur noch in unbedenklichen Mengen genießen. Die verborgenen Mechanismen des Mythos sollten aufgedeckt und die mögliche Gefahr des nordistisch-rassitischen Atlantismythos im politischen Geschehen anhand der aufgezeigten Indizien dargelegt werden: Eine aus aus der Rezeption des Mythos erwachsende Bewegung wäre - das legt die psychohistorische Untersuchung des Kernbildes nahe - mit hoher Wahrscheinlichkeit eine suizidale Bewegung in den Tod. Die Warnung vor dem Mythos geht nicht nur an die Autoren und Rezipienten innerhalb der Neuen Rechten, die zur Zeit Gefahr laufen einen alten Fehler zu wiederholen und die damit - um die Ausgangsfrage zu beantworten - in bezug auf ihre mentalen Bildwelten nicht in einer Kontinuitätslinie mit Zyklikern oder Apokalyptikern, sondern in einer eigenständigen Kontinuitätslinie mit den suizidal gesinnten Atlantiden stehen, sondern die Warnung geht auch auch an Autoren und Rezipienten innerhalb der grün-alternativen Bewegung: Die Atlantisthematik wird in diesem Spektrum von Marion Zimmer-Bradley mit ihrem Bestseller "Die Nebel von Avalon" abgedeckt. Die Insel Avalon existierte nach Bradley, die ihrem Roman auch dokumentarische Züge zubilligt, zu einer Zeit, da auch die Atlantis noch existent war.(389) In den Nebeln dreht es sich um den Übergang vom Zeitalter der großen Göttin, hin zum Christentum.(390) Auch mit dem "Blut der Erde"(391) wird nicht gespart. Krüppeln ist es verwehrt, Druiden zu werden, sie hätten wohl innere Fehler.(392) In Bradleys Roman "Das Licht von Atlantis" wird die ganze Szenerie in Mondlicht getaucht, dem 'Kuß der Großen Göttin'.(393) Winfried Meid postuliert: "'Das Licht von Atlantis'... wirft doch gewaltige Schatten voraus; sie länger zu ignorieren, könnte das Ende der Aufklärung zeitigen".(394) Das mag zu hoch gegriffen sein und ich kann auch Chasseguet-Smirgels pauschaler Kollektivverurteilung, es gebe eine "sehr deutsche Tendenz... sich von der Vernunft, vom Vater loszusagen, um in der faszinierenden Urmutter aufzugehen"(395) nicht zustimmen, handelt es sich dabei doch keineswegs um eine spezifisch deutsche, sondern um eine allgemein mögliche, individuell zu wertende, menschliche Tendenz. - Aber eine Warnung macht nach der vorliegenden Untersuchung durchaus Sinn.

Franz Wegener, M.A.
franzwegener@hotmail.com

Zitation: Kulturförderverein Ruhrgebiet e.V. (Hrsg.):
Franz Wegener: Das Atlantidische Weltbild - Über Genese und Funktion des Atlantidischen Weltbildes - Internet-Edition Gladbeck 1997

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Eine witzige Refleksion der Welteislehre fand ich auf einer Internet-Seite, die der Relativitätstheorie gewidmet ist:

6.11.1919: Sitzung der Royal Society und der Royal Astronomic Society in London, Einstein ist Ehrengast. Innerhalb eines Jahres: Hundert Bücher, Preisausschreiben, öffentliche Auftritte. Und ein Limerick: "Es war mal ein Mädchen, Namens Wicht. Das reiste viel schneller als das Licht. Fuhr los eines Tags - Relativ, wenn du fragst - Und war nachts zuvor schon in Sicht."

Die Bedeutung der Relativitätstheorie war also nicht von Beginn an bewußt. Entstanden zu einer Zeit, als eine ganze Reihe heute phantastisch anmutender Kosmologien (oder besser sogar: Kosmogonien) in der Diskussion waren. Hohlweltlehren, nach denen sich unser Universum im Inneren einer gewaltigen Hohlkugel befindet. Und vor allem die Welteislehre, die einen hauchfeinen Eisnebel in den Weiten des Universums ansetzte; daraus werden nicht allein einige physikalistische Schlüsse abgeleitet, sondern das alles verbindet sich mit einem kosmologischen Sexismus, der (heiße) rote Zwerge und (kalte) weise Riesinnen kennt, die einen aus Feuer, die anderen aus Eis; gelegentlich zieht eine weiße Riesin einen roten Zwerg in ihr Inneres, Feuer und Wasser prallen zusammen, es entsteht Dampf; unter dem Druck dieser Sternenzeugung explodiert die weiße Riesin, zerfällt in eine ganze Reihe kleinerer Sterne, die sich wieder auf den Weg des Wachstums begeben. Erfunden ist die Welteislehre von dem bedeutenden Ingenieur Hanns Hörbiger, Erfinder eines wichtigen Ventils, ein Beförderer der Maschinenbautechniken, Vater bzw. Großvater des Schauspielerclans der Hörbigers.

Welteislehre: Keine spinnerte literarische Erfindung, sondern ein auf Hunderten von Seiten ausgebreitetes ingenieurwissenschaftliches Konstrukt, das über Jahrzehnte ernsthaft diskutiert wurde.

Was uns fehlt, ist eine Geschichte der physikalischen Diskussionen. Der verworfenen Ideen, der heute manchmal phantastisch anmutenden Kontexte. Was wir haben, ist das Lehrgebäude der Physik, die bereinigte, um die Irrungen der Geschichte gesäuberte Fassung dessen, was wir über die Weit des Dinglichen wissen. Über "Welteislehre" stolpert kein Student der Physik. Dazu müßte er in die Bibliothek gehen, sich unter die Esoteriker mischen, eigene Recherchen beginnen. [Zu Tage kommt ein Koffer voll Gedrucktes über das Welteis, eine über Jahrzehnte erscheinende Zeitschrift, ein Korpus literarischer Anverwandlungen, Romane und Erzählungen, keine Dramen]; zutage kommen Expertisen für Versicherungen, die das Verhalten von Hagel unter Vorgabe der Welteislehre untersuchen; zutage kommt eine erstaunliche Renaissance der heute obskur vorkommenden Lehre in der Zeit des Nationalsozialismus.)

Für diese Zeitschrift ist jede Information über die Welteislehre wichtig. Wir müssen diese Theorie und ihre Geschichte kennen, um zu verhindern, dass in der ganzen Geschichtskritik - ähnlich wie beim Fall "Welteislehre" - über Phantome und falsche Voraussetzungen gestritten wird.

Weitere Literatur

Klaus Ferentschik Eis-und Glutnatur der Milchstraße. Über Hanns Hörbigers Scheitern und Reüssieren

HÖRBIGER, HANNS. Glacial-Kosmogonie. Eine neue Entwicklungsgeschichte des Weltalls und des Sonnensystems. Auf Grund der Erkenntnisse des Widerstreites eines kosmischen Neptunismus mit dem ebenso universellen Plutonismus. Nach den neuesten Ergebnissen sämtlicher exakter Forschungszweige bearbeitet, mit eigenen Erfahrungen gestützt und herausgegeben von PH. FAUTH. XXVII, 772 S. Mit 212 Abbldungen. 4to. Hlw. der Zeit. Kaiserslautern, Kaiser 1913. - Erste Ausgabe. Die "Welteislehre" hatte grossen Einfluss auf die technische Intelligenz der 20er Jahre in Deutschland; z. B. wollte der Raketen-Pionier Max Valier zum Mond fliegen, um Hörbigers Theorien zu verifizieren; in den dreissiger Jahren wurde Himmler zum prominentesten Hörbiger-Anhänger. - Vorsatz, Vortitel und Titelblatt mit überklebtem, bzw. gelöschtem Stempel, Rücken fleckig, mit Resten eines Signatur-Schildes. DEM 480