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<BODY>

<DIV>F&uuml;r Solche, die sich noch nicht vom (Bislang) Letzten Grossen Ruck

&amp; der exoterrestrischen Pestursache &uuml;berzeugen konnten: vorab einmal

noch nicht ganz die H&auml;lfte von Hecker's B&uuml;chlein (ohne

Korrekturen):</DIV>

<DIV>&nbsp;</DIV>

<DIV><B><FONT size=6>

<P align=center>J. F. C. Hecker</P></FONT><FONT size=5>

<P align=center>Der schwarze Tod im vierzehnten

Jahrhundert</P></B></FONT><I><FONT size=5>

<P align=center>Nach den Quellen f&uuml;r Aerzte und gebildete Nicht&auml;rzte

bearbeitet von Dr.&nbsp;J. F. C. Hecker,</P></I></FONT><FONT size=3>

<P align=center>Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universit&auml;t zu Berlin,

Mitglied der medicinischen Ober-Examinations-Commission und gelehrter

Gesellschaften in Berlin, Bonn, Dresden, Erlangen, Hanau, Kopenhagen, London,

Lyon, Metz, Neapel, New York, Philadelphia und Z&uuml;rich</P></FONT><B><FONT

face="Fraktur BT">

<P align=center>Berlin, 1832</P></FONT><FONT size=2>

<P align=center>Verlag von Friedr. Aug. Herbig</P></B></FONT><FONT face=Arial

size=1>

<P align=center>[III]</FONT> Herrn</P><FONT size=4>

<P align=center>Dr. J. F. Dieffenbach,</P></FONT><FONT size=3>

<P align=center>dirigirendem Arzte der Abtheilung f&uuml;r chirurgische Kranke

in der Charit&eacute; und praktischem Arzte in Berlin; Mitglied der

K&ouml;niglich Preussischen medicinischen Ober-Examinations-Commission, und

medicinischer und naturwissenschaftlicher Gesellschaften in Berlin, Bonn,

Dresden, Heidelberg, Leipzig, Lyon, Metz, Stockholm, W&uuml;rzburg und der

Wetterauischen Gesellschaft f&uuml;r die gesamte Naturkunde Mitglied und

Correspondenten;</P></FONT><FONT size=4>

<P align=center>seinem verehrten Freunde,</P></FONT><FONT size=3>

<P align=center>widmet diese Abhandlung</P></FONT><FONT face="Fraktur BT">

<P align=right>der Verfasser.</P></FONT><I><FONT size=2>

<P align=center>Vorwort </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895989">*</A>

<DIR>

<DIR>

<DIR>

<DIR>

<DIR><I><FONT size=2>

<P>1. Allgemeines. </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895990">*</A></P><I><FONT size=2>

<P>2. Die Krankheit </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895991">*</A></P><I><FONT size=2>

<P>3. Ursachen. Verbreitung. </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895992">*</A></P><I><FONT size=2>

<P>4. Menschenverlust&nbsp; </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895993">*</A></P><I><FONT size=2>

<P>5. Moralische Folgen </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895994">*</A></P><I><FONT size=2>

<P>6. Die Aerzte </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895995">*</A></P><FONT size=2>

<P>Anhang </FONT><A href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895996">*</A></P><I><FONT

size=2>

<P>I. Das alte Geisslerlied </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895997">*</A></P><I><FONT size=2>

<P>II. Verh&ouml;re der Brunnenvergiftung beschuldigter Juden </I></FONT><A

href="mhtml:mid://00000260/#_Toc428895998">*</A></P><FONT size=3>

<P align=center></P></DIR></DIR></DIR></DIR></DIR>

<P></P></FONT><B><FONT face="Fraktur BT">

<P align=center>&nbsp;</P></B></FONT><FONT face=Arial size=1>

<P align=center><A name=_Toc428895989>[V]</FONT><B><FONT size=5>

Vorwort</A></P></B></FONT><FONT size=3>

<P align=justify>Man findet hier eine inhaltreiche Seite der Weltgeschichte

aufgeschlagen. Sie handelt von einer Ersch&uuml;tterung des Menschengeschlechts,

der an Umfang und Gewalt keine andere gleichgekommen ist, sie spricht von

unglaublichen Niederlagen, von Verzweifelung und entfesselten d&auml;monischen

Leidenschaften, sie zeigt den Abgrund allgemeiner Gesetzlosigkeit in Folge einer

Weltseuche, die sich von China bis nach Island und Gr&ouml;nland

verbreitete.</P>

<P align=justify>Die Veranlassung, dieses Bild einer l&auml;ngst entschwundenen

Zeit zu enth&uuml;llen, liegt am Tage. Eine neue Weltseuche hat fast dieselbe

Ausdehnung erreicht, und wenn auch weniger furchtbar, doch &auml;hnliche

Erscheinungen zum Theil hervorgerufen, zum Theil angedeutet. In ihren Ursachen,

ihrer Verbreitung &uuml;ber Asien und Europa liegt die Aufforderung, sie von

einem grossartigen Gesichtspunkte aufzufassen, denn sie f&uuml;hrt zur Ahnung

des Weltorganismus, in welchem das organische Gesammtleben den grossen

Naturkr&auml;ften unterthan ist. Nun ist menschliches Wissen noch nicht so weit

gediehen, in die Vorg&auml;nge &uuml;ber und unter der Erde Zusammenhang zu

bringen, oder auch nur die Naturgesetze vollst&auml;ndig zu ermitteln, deren

Kenntnis man bed&uuml;rfte, viel weniger sie auf grosse Erscheinungen

anzuwenden, in denen eine Triebfeder tausend andere in Bewegung setzt. Von

dieser Seite ist also jener Gesichtspunkt nicht aufzufinden, wollen wir nicht in

das unfruchtbare Gebiet der Vermuthungen gerathen, deren die Welt schon zu viele

hat. Wohl aber zeigt er sich </FONT><FONT face=Arial size=1>[VI]</FONT><FONT

size=3> auf dem weiten und gedeihlichen Felde der historischen Forschung. Die

Geschichte, dieser Spiegel des Menschenlebens in allen seinen Richtungen, bietet

auch f&uuml;r die Weltseuchen eine unersch&ouml;pfliche, wenn auch wenig

gekannte Fundgrube von Thatsachen dar, sie macht auch hier ihre W&uuml;rde als

wahrheitliebende Philosophie der Wirklichkeit geltend. Ihrem Geiste entspricht

die Auffassung der Weltseuchen als Weltbegebenheiten, die Deutung ihrer

Erscheinungen aus der Zusammenstellung des Gleichartigen, in der die Thatsachen

durch sich selbst reden, indem sie aus h&ouml;heren Gesetzen des

fortschreitenden Menschenlebens hervorgegangen erscheinen. Kosmischer Ursprung

und folgenreiche krampfhafte Regung der unterliegenden V&ouml;lker sind die

hervortretenden Seiten, auf welche sie bei allen Weltseuchen hinweist. Diese

selbst aber gestalten sich in ihren Eingriffen auf den Organismus wie in ihrer

Verbreitung verschieden, und es ist hier eine Entwickelung von Form zu Form in

Jahrtausenden unverkennbar, so dass die Weltgeschichte in grosse Zeitr&auml;ume

zerf&auml;llt, in denen bestimmt ausgepr&auml;gte Seuchen vorherrschten. So weit

unsere Zeitb&uuml;cher reichen, kann hier&uuml;ber noch mehr oder minder sichere

Auskunft gegeben werden. Doch ist dieser Theil der medicinischen

Geschichtschreibung, der in die Weltgeschichte so vielseitig und m&auml;chtig

eingreift, kaum erst in der Anlage begriffen. Die Ehre der Wissenschaft, die

menschlichem Thun und Treiben &uuml;berall vorleuchten soll, l&auml;sst uns den

Wunsch aussprechen, dass er auf dem noch nicht ganz versch&uuml;tteten Boden der

deutschen &auml;rztlichen Gelehrsamkeit erfreulich gedeihen

m&ouml;ge.</P></FONT><FONT size=4>

<P align=justify>Berlin, den 2. M&auml;rz 1832.</P><B>

<P align=justify>d. V.</P></FONT><FONT face="Fraktur BT">

<P align=center>&nbsp;</P></FONT><FONT face=Arial size=1>

<P align=center><A name=_Toc428895990>[1] </FONT><FONT face="Fraktur BT">1.

Allgemeines.</A></P></B></FONT><FONT size=3>

<P align=justify>In grossen Seuchen offenbart sich die allwaltende Macht, welche

den Erdball mit all seinen Gesch&ouml;pfen zu einem lebendigen Ganzen gestaltet

hat. Die Kr&auml;fte der Sch&ouml;pfung treten in gewaltsamen Widerstreit: die

trockene Schw&uuml;le des Luftkreises, die unterirdischen Donner, die Nebel der

&uuml;bertretenden Wasser verk&uuml;nden Zerst&ouml;rung, der Natur gen&uuml;gt

nicht der gew&ouml;hnliche Wechsel von Leben und Tod, und &uuml;ber Menschen und

Thiere schwingt der W&uuml;rgeengel sein flammendes Schwert.</P>

<P align=justify>Diese Umw&auml;lzungen geschehen in grossen Uml&auml;ufen, die

dem Geiste des Menschen in seiner Beschr&auml;nkung auf einen kleinen Kreis der

Erkenntniss, unerforschlich bleiben. Aber sie sind gr&ouml;ssere

Weltbegebenheiten, als irgend andere, die nur aus der Zwietracht, oder der Noth,

oder den Leidenschaften der V&ouml;lker hervorgehen. Sie erwecken durch die

Vernichtung neues Leben, und wenn der Aufruhr &uuml;ber und unter der Erde

vor&uuml;ber ist, verj&uuml;ngt sich die Natur, und der Geist erwacht aus

Erstarrung und Versunkenheit zum Bewusstsein h&ouml;herer Bestimmung.</P>

<P align=justify>W&auml;re es menschlicher Forschung noch irgend erreichbar, ein

historisches Bild so m&auml;chtiger Ereignisse in lebendigem Zusammenhange zu

entwerfen, wie die Geschichtsschreiber von Kriegen und Schlachten und

V&ouml;lkerwanderungen entworfen haben, so w&uuml;rde die geistige </FONT><FONT

face=Arial size=1>[2]</FONT><FONT size=3> Entwickelung des Menschengeschlechts

auf klare Anschauungen zur&uuml;ckzuf&uuml;hren sein, und die Wege der Vorsehung

w&uuml;rden deutlicher erkannt werden. Es w&uuml;rde nachzuweisen sein, dass der

Geist der V&ouml;lker durch das zerst&ouml;rende Widerspiel der Naturkr&auml;fte

tiefe Eindr&uuml;cke erleidet, und dass in der allgemeinen Gesittung durch

Niederlagen hervortretende Wendepunkte herbeigef&uuml;hrt werden. Denn alles was

in dem Menschen liegt, Gutes und B&ouml;ses, wird durch die Gegenwart grosser

Gefahr gesteigert, sein Inneres ger&auml;t in Aufruhr, wie bei dem Anblick eines

j&auml;hen Abgrundes, &mdash; der Gedanke der Selbsterhaltung beherrscht die

Gem&uuml;ther, die Selbstverleugnung wird auf h&auml;rtere Proben gestellt, und

wo irgend Finsterniss und Rohheit walten, da fliehen die ge&auml;ngsteten

Sterblichen zu den G&ouml;tzen ihres Aberglaubens, und g&ouml;ttliche wie

menschliche Gesetze werden frevelhaft &uuml;bertreten.</P>

<P align=justify>Ein so gewaltsamer Zustand bringt nach einem allgemeinen

Naturgesetz Ver&auml;nderung hervor, eine heilsame oder nachtheilige, wie die

Umst&auml;nde sich gestalten, so dass die V&ouml;lker entweder h&ouml;heren

sittlichen Werth erringen, oder tiefer versinken. Dies alles aber geschieht nach

einem viel gr&ouml;sseren Maassstabe, als durch den gew&ouml;hnlichen Wechsel

von Krieg und Frieden, durch das Emporkommen oder den Fall der Reiche, weil die

Naturkr&auml;fte selbst die Seuchen hervorbringen, und den menschlichen Willen

unterjochen, der in den K&auml;mpfen der V&ouml;lker gew&ouml;hnlich allein

hervortritt.</P></FONT><B><FONT face="Fraktur BT">

<P align=center><A name=_Toc428895991>2. Die Krankheit</A></P></B></FONT><FONT

size=3>

<P align=justify>Das denkw&uuml;rdigste Beispiel hiervon giebt eine grosse

Seuche des vierzehnten Jahrhunderts, welche Asien, Europa und Afrika verheerte,

und deren sich noch jetzt die V&ouml;lker in d&uuml;steren Ueberlieferungen

erinnern. Es war eine <B>morgenl&auml;ndische Pest</B>, kenntlich an Brandbeulen

und Dr&uuml;sengeschw&uuml;lsten, die in keiner andern </FONT><FONT face=Arial

size=1>[3</FONT><FONT size=3>] Fieberkrankheit vorkommen. Wegen dieser

Brandbeulen und schwarzen Flecken auf der Haut, den Verk&uuml;ndern fauliger

Entmischung, nannte man sie in Deutschland wie in den nordischen Reichen den

<B>schwarzen Tod</B>, in Italien hiess sie das <B>grosse Sterben</B>&nbsp;). Nur

wenige Zeugnisse &uuml;ber ihre Zuf&auml;lle und ihren Verlauf sind uns

erhalten, aber sie reichen hin, um das Bild der Krankheit zu erhellen, und sie

werden durch Uebereinstimmung mit den Merkmalen desselben Uebels in neuerer Zeit

glaubw&uuml;rdig.</P>

<P align=justify>Der kaiserliche Schriftsteller <B>Kantakuzenos</B>&nbsp;),

dessen eigener Sohn <B>Andronikus</B> dieser Pest in Constantinopel erlag,

berichtet von <B>grossen Eiterbeulen</B>&nbsp;) an den Oberschenkeln und Armen

der Kranken, die durch Erguss von &uuml;belriechender Jauche, wenn man sie

&ouml;ffnete, Erleichterung brachten. Damit sind offenbar die <B>Bubonen</B>,

die untr&uuml;glichen Kennzeichen der morgenl&auml;ndischen Pest bezeichnet,

denn er spricht ausserdem noch von kleineren Beulen an den Armen und im Gesicht,

wie an anderen Theilen des K&ouml;rpers, und unterscheidet diese </FONT><FONT

face=Arial size=1>[4]</FONT><FONT size=3> ganz deutlich von den

<B>Brandblattern</B>&nbsp;), die nicht weniger von der Pest in allen ihren

Formen hervorgebracht werden. Bei manchen brachen schwarze

<B>Stippchen</B>&nbsp;) &uuml;ber den ganzen K&ouml;rper hervor, entweder

einzeln, oder zusammenh&auml;ngend und verfliessend. Diese Zuf&auml;lle fanden

sich nicht bei allen vereint, bei manchen reichte ein einziger hin, ihnen den

Tod zu bringen, einige aber genasen mit allen behaftet wider Erwarten.

Kopfzuf&auml;lle waren h&auml;ufig; viele Kranke wurden stumpfsinnig und

verfielen in bet&auml;ubenden Schlaf, auch verloren sie die Sprache durch

Zungenl&auml;hmung, andere waren schlaflos und angstvoll. Schlund und Zunge

wurden schwarz und wie von Blut unterlaufen, kein Getr&auml;nk l&ouml;schte den

brennenden Durst, und so w&auml;hrte die Qual ohne Linderung bis zum Tode, den

viele durch Verzweiflung beschleunigten. Die Ansteckung war augenscheinlich,

denn die Pfleger ihrer Verwandten und Freunde erkrankten, und viele H&auml;user

in der Hauptstadt starben bis auf den letzten Bewohner aus.</P>

<P align=justify>Bis hierher zeigte sich nur die gew&ouml;hnliche Beschaffenheit

der morgenl&auml;ndischen Pest, es gesellten sich aber noch tiefere Leiden zu

dieser Seuche, die zu anderer Zeit nicht vorgekommen sind. <B>Die Werkzeuge des

Athmens wurden von fauliger Entz&uuml;ndung ergriffen</B>, ein heftiger

Brustschmerz befiel die Kranken, Blut wurde ausgehustet, und der Athem

verbreitete einen verpestenden Geruch.</P>

<P align=justify>Im Abendlande wurde diese Erscheinung beim Ausbruch der Seuche

vorherrschend&nbsp;). Ein hitziges Fieber, von Blutauswurf begleitet,

t&ouml;dtete in den ersten drei Tagen. Es scheint, dass Bubonen und Brandbeulen

zuerst </FONT><FONT face=Arial size=1>[5]</FONT><FONT size=3> gar nicht

vorkamen, sondern dass die Krankheit in der Gestalt des anthraxartigen

Lungen&uuml;bels die Zerst&ouml;rung des K&ouml;rpers vollendete, bevor noch die

&uuml;brigen Zuf&auml;lle sich entwickelten. So w&uuml;thete die Seuche in

Avignon volle sechs oder acht Wochen lang, und verursachte durch den verpesteten

Athem der blutspeienden Kranken nah und fern eine so entsetzliche Ansteckung,

dass selbst Aeltern ihre erkrankten Kinder flohen und alle Bande des Blutes sich

l&ouml;sten. Denn die N&auml;he eines der Pest Verfallenen war sicherer

Tod&nbsp;). Nach dieser Zeit sah man Bubonen in den Achseln wie in den Weichen,

und Brandbeulen &uuml;ber den ganzen K&ouml;rper, aber nur erst gegen den

siebenten Monat genasen einige Kranke mit gereiften Bubonen, wie in der

gew&ouml;hnlichen, milderen Pest. So berichtet der muthvolle Guy von Chauliac,

der die Ehre des Arztes darin suchte, der Gefahr Trotz zu bieten, der den

Pestkranken wacker und rastlos beistand, und die Entschuldigung seiner

arabistischen Genossen vershcm&auml;hete, dass &auml;rztliche Hilfe vergebens

sei, und dass die Ansteckung zur Flucht berechtige. Zweimal sah er die Pest in

Avignon, zuerst i.&nbsp;J.&nbsp;1348 vom Januar bis zum August, dann zw&ouml;lf

Jahre sp&auml;ter, im Herbst, wo sie von Deutschland zur&uuml;ckkehrte, und neun

Monate lang Angst und Schrecken verbreitete. Das erste Mal w&uuml;thete sie mehr

unter den Armen, i.&nbsp;J.&nbsp;1360 aber mehr unter den Reichen und Vornehmen,

auch t&ouml;dtete sie jetzt eine Ueberzahl von Kindern, die sie fr&uuml;her

verschont hatte, und nur wenige Weiber.</P>

<P align=justify>Aehnliches sah man in Aegypten&nbsp;); auch hier war [6] der

Lungenbrand vorherrschend, und t&ouml;dtete mit brennender Hitze und Blutspeien

rasch und unfehlbar; auch hier verbreitete der Hauch der Kranken die

t&ouml;dtliche Ansteckung, und menschliche H&uuml;lfe war so vergeblich wie

f&uuml;r die Nahenden verderbenbringend.</P><B>

<P align=justify>Boccaccio</B>, der in Florenz, dem Sitze der wiedererwachten

Wissenschaften, Augenzeuge unglaublicher Niederlagen war, beschreibt die

Zuf&auml;lle der Krankheit lebendiger, als seine nicht&auml;rztlichen

Zeitgenossen&nbsp;). Sie begann hier, nicht wie im Orient, mit Nasenbluten, dem

sichern Zeichen unvemeidlichen Todes, sondern es entstanden, bei M&auml;nnern

wie bei Frauen, zu Anfang Geschw&uuml;lste in den Weichen und in den Achseln von

verschiedenem Umfang, bis zur Gr&ouml;sse eines Apfels oder eines Eies, welche

das Volk Pestbeulen (Gavoccioli) nannte. Bald darauf erschienen &auml;hnliche

Geschw&uuml;lste ohne Unterschied an allen Theilen des K&ouml;rpers, und es

zeigten sich <B>schwarze oder blaue Flecke</B> am Arm oder am Oberschenkel wie

an allen anderen Stellen, entweder einzeln und gross, oder klein und

dichtgedr&auml;ngt. Und so wie die Pestbeulen zuerst als ein sicheres

Todeszeichen angesehen wurden, so waren es dies Flecken f&uuml;r jeden, der sie

bekam&nbsp;). Kein &auml;rztlicher Rath, noch die Kraft einer Arznei brachte

H&uuml;lfe, sondern es starben fast alle innerhalb der ersten drei Tage, nach

dem Erscheinen jener Zeichen, einige fr&uuml;her, andere sp&auml;ter, und die

meisten ohne alles Fieber&nbsp;) und andere Zuf&auml;lle. Die Seuche aber griff

um so w&uuml;thender um sich, da sie sich von den Kranken den Gesunden

mittheilte, wie das Feuer trockenen und fettigen Stoffen in seiner N&auml;he,

und selbst das Ber&uuml;hren der Kleider und anderer Gegenst&auml;nde,

</FONT><FONT face=Arial size=1>[7]</FONT><FONT size=3> welche von den

Verpesteten benutzt worden waren, die Krankheit zu &uuml;bertragen schien. Nun

wurden aber nicht nur Menschen von der Pest angesteckt, sondern auch Thiere

erkrankten daran, und starben in kurzer Zeit, wenn sie Sachen von Erkrankten

oder Verstorbenen ber&uuml;hrt hatten. So sah Boccaccio mit eigenen Augen zwei

Schweine auf den Lumpen eines an der Pest Verstorbenen nach kurzem Herumwerfen

todt zusammenst&uuml;rzen, als h&auml;tten sie Gift bekommen. An anderen Orten

starben Hunde, Katzen, H&uuml;hner und andere Thiere schaarenweise durch

Pestansteckung&nbsp;), und es ist zu vermuthen, dass auch andere Thierseuchen

sich entwickelten, wenngleich die unkundigen Schriftsteller des vierzehnten

Jahrhunderts hier&uuml;ber schweigen.</P></FONT><B><FONT face="Fraktur BT">

<P align=center><A name=_Toc428895992>3. Ursachen. Verbreitung.

</A></P></B></FONT><FONT size=3>

<P align=justify>Die Untersuchung der Ursachen des schwarzen Todes bleibt

f&uuml;r die Lehre von den Weltseuchen nicht ohne wichtige Ergebnisse,

wenngleich sie nicht &uuml;ber das Allgemeine hinausgehen kann, ohne in ein

durchaus unbekanntes und bis auf diese Stunde unbearbeitetes Gebiet zu gerathen.

M&auml;chtige Umw&auml;lzungen in dem Erdorganismus waren vorausgegangen, wir

haben von ihnen noch sichere Kunde: Von China bis an den atlantischen Ocean

bebte der Erdboden, in ganz Asien und Europa gerieth der Luftkreis in Aufruhr,

und gef&auml;hrdete durch sch&auml;dliche Einfl&uuml;sse das Pflanzen- und

Thierleben.</P>

<P align=justify>Die Reihe dieser grossartigen Ereignisse begann schon im Jahre

1333, funfzehn Jahre vor dem Ausbruch der Pest in Europa; ihr erster Schauplatz

war China. Hier entstand zuerst in den von den Fl&uuml;ssen Kiang und Hoai

</FONT><FONT face=Arial size=1>[16]</FONT><FONT size=3> durchstr&ouml;mten

L&auml;nderstrichen eine versengende D&uuml;rre, begleitet von einer

Hungersnoth. Hierauf folgten in und um King-sai, der damaligen Hauptstadt des

Reiches, so gewaltige Regeng&uuml;sse, dass der Sage nach &uuml;ber 400'000

Menschen in den &uuml;berfluthenden Wassern umkamen. Endlich st&uuml;rzte der

Berg Tsincheou ein, und es entstanden grosse Erdrisse. Im folgenden Jahre (1334)

wurde, mit Uebergehung fabelhafter Ueberlieferungen, die Umgegend von Canton von

Ueberschwemmungen heimgesucht, w&auml;hrend in Tche nach einer beispiellosen

D&uuml;rre eine Pest entstand, die an f&uuml;nf Millionen Menschen weggerafft

haben soll. Wenige Monate darauf erfolgte in und um King-sai ein Erdbeben, und

nach dem Einsturz des Gebirges Ki-ming-chan bildete sich ein See von mehr als

hundert Stunden im Umfange, wobei wiederum Tausende ihr Grab fanden. In

Hou-kouang und Honan w&auml;hrte eine D&uuml;rre f&uuml;nf Monate lang,

unabsehbare Heuschreckenschw&auml;rme verheerten die Felder, und Noth und

Seuchen blieben nicht aus. Zusammenh&auml;ngende Nachrichten &uuml;ber den

Zustand Europa&rsquo;s vor der grossen Katastrophe kann man vom vierzehnten

Jahrhundert nicht erwarten, auffallend ist es aber, dass gleichzeitig mit einer

D&uuml;rre und neuen Ueberschwemmungen in China im Jahre 1336 viele

ungew&ouml;hnliche Lufterscheinungen und im Winter h&auml;ufige Gewitter im

n&ouml;rdlichen Frankreich beobachtet wurden, und dass schon in dem

verh&auml;ngnissvollen Jahre 1333 der Aetna einen Ausbruch machte&nbsp;). Nach

chinesischen Jahrb&uuml;chern sollen 1337 in der Gegend von Kiang vier Millionen

Menschen durch eine Hungersnoth umgekommen sein, und Ueberschwemmungen,

Heuschreckenschw&auml;rme und ein <U>sechst&auml;giges</U> Erdbeben </FONT><FONT

face=Arial size=1>[17]</FONT><FONT size=3> unglaubliche Verw&uuml;stungen

bewirkt haben. In <U>demselben Jahre</U> erschienen in Franken die ersten

Heuschreckenschw&auml;rme, denen in den n&auml;chsten Jahren unz&auml;hlige

folgten. 1338 wurde King-sai von einem zehnt&auml;gigen Erdbeben heimgesucht

&mdash; zu gleicher Zeit litt Frankreich durch eine Missernte &mdash; und von

jetzt an bis 1342 wechselten in China Ueberschwemmungen, Erdbeben und

Hungersnoth mit einander ab. <U>Dasselbe</U> Jahr zeichnete sich auch in den

Rheingegenden und Frankreich durch grosse Ueberschwemmungen aus, die man nicht

bloss dem Regen zuschreiben konnte; denn aller Orten, selbst auf den Gipfeln der

Berge, sah man Quellen hervorrieseln, und trockene Gegenden wurden auf

unerkl&auml;rliche Weise unter Wasser gesetzt. Im folgenden Jahre st&uuml;rzte

in China der Berg Hong-tchang zusammen, und es entstand danach eine

zerst&ouml;rende Wasserfluth; auch folgten auf einen dreimonatlichen Regen in

Pien-tcheou und Leang-tcheou unerh&ouml;rte Ueberschwemmungen, die sieben

St&auml;dte verw&uuml;steten. In Aegypten und Syrien entstanden gewaltige

Erdbeben, und in China wurden diese von jetzt an immer h&auml;ufiger, denn sie

wiederholten sich 1344 in Ven-tcheou, wo in Folge davon das Meer &uuml;bertrat,

1345 in Ki-tcheou, und in den beiden folgenden Jahren in Canton mit

unterirdischem Donner. Dazwischen kamen wieder Ueberschwemmungen und Hungersnoth

hier und da vor, nach 1347 aber beruhigte sich in China das Toben der

Elemente&nbsp;).</P>

<P align=justify>Erst 1348 traten in Europa die Zeichen des tellurischen

Aufruhrs ein, nachdem die zwischenliegenden L&auml;nderstriche Asiens

wahrscheinlich auf gleiche Weise heimgesucht worden waren. Auf der Insel Cypern

war die Pest von Osten her schon hereingebrochen, als ein Erdbeben die

Grundfesten der Insel ersch&uuml;tterte, begleitet von einem so furchtbaren

Orkan, dass die Einwohner, die ihre muhamedanischen Sklaven get&ouml;dtet

hatten, um </FONT><FONT face=Arial size=1>[18]</FONT><FONT size=3> nicht von

ihnen selbst unterjocht zu werden, in sinnlosem Schrecken hierhin und dorthin

flohen. Das Meer fluthete &uuml;ber, die Schiffe zerschellten an den Felsen, und

wenige &uuml;berlebten das wunderbare Ereigniss, wodurch dies bl&uuml;hende

Eiland einer W&uuml;ste gleich ver&ouml;det wurde. Vor dem Erdbeben hatte ein

verpesteter Wind einen so giftigen Geruch verbreitet, dass viele Einwohner,

davon &uuml;berw&auml;ltigt, zu Boden st&uuml;rzten und in grausem Todeskampfe

ihre Seele aushauchten&nbsp;&nbsp;).</P>

<P align=justify>Diese Erscheinung ist eine der seltensten, die je wahrgenommen

worden, denn nichts ist best&auml;ndiger, als die Mischung des Luftmeers,

&mdash; von keiner Seite hat die Natur das organische Leben sorgsamer gesichert;

nie haben Naturforscher fremdartige Stoffe in der Atmosph&auml;re aufgefunden,

die, mit sinnlichen Merkmalen begabt und von Winden getragen, Krankheit erregend

&uuml;ber ganze Welttheile, von Land zu Land sich verbreitet h&auml;tten, wie

vom Jahr 1348 erz&auml;hlt wird. Um so mehr haben wir zu bedauern, dass in

dieser ausserordentlichen Zeit, die bei tiefem Stande der Wissenschaften

&uuml;beraus arm an guten Beobachtern war, so wenig Zuverl&auml;ssiges &uuml;ber

jene ungew&ouml;hnlichen Vorg&auml;nge im Luftmeer aufgezeichnet worden ist.

Doch sagen deutsche Nachrichten ausdr&uuml;cklich, ein dicker, riechender Nebel

sei von Osten herangezogen und habe sich &uuml;ber Italien verbreitet&nbsp;);

auch konnte man </FONT><FONT face=Arial size=1>[19]</FONT><FONT size=3> sich

wohl &uuml;ber eine so handgreifliche Erscheinung nicht t&auml;uschen, &mdash;

die Glaubw&uuml;rdigkeit schlichter Ueberlieferungen, m&ouml;gen sie auch

physikalischer Forschung wenig gen&uuml;gen, kann bei Erw&auml;gung des

Zusammenhanges der Ereignisse schwerlich in Zweifel gezogen werden. Denn gerade

jetzt war das Erdbeben allgemeiner, als je in historischen Zeiten; an tausend

Stellen &ouml;ffneten sich Abgr&uuml;nde, aus denen sch&auml;dliche D&uuml;nste

emporstiegen, und wie denn nat&uuml;rliche Vorg&auml;nge ins Wunderbare verkehrt

werden, so ging die Sage von einer feurigen Dunstkugel, die im fernen Osten sich

zur Erde herabgesenkt, in einem Umkreis von mehr als hundert Stunden alles

Lebende vernichtet und die Luft weit und breit verpestet habe&nbsp;). Hierzu

kamen die Folgen unz&auml;hlbarer Ueberschwemmungen; grosse Flussgebiete waren

in S&uuml;mpfe verwandelt worden, aller Orten erhoben sich faule D&uuml;nste,

verst&auml;rkt durch den Geruch verwesender Heuschrecken, die vielleicht nie in

dichteren Schw&auml;rmen die Sonne verfinstert hatten&nbsp;), so wie zahlloser

Leichen, die man selbst nicht in den wohlgeordneten St&auml;dten Europa&rsquo;s

dem Anblick der Lebenden rasch genug zu entziehen wusste. Es ist also

wahrscheinlich, dass die Atmosph&auml;re in grosser Ausdehnung fremdartige,

sinnlich erkennbare Beimischungen erhielt, die wenigstens in den niederen

Regionen nicht zersetzt </FONT><FONT face=Arial size=1>[20]</FONT><FONT size=3>

oder bis zur Unwirksamkeit zertheilt werden konnten. Wenden wir uns aber

zur&uuml;ck zu den Zuf&auml;llen der Krankheit, so beweist die brandige

Lungenentz&uuml;ndung, dass die Werkzeuge des Athmens dem Angriffe eines

atmosph&auml;rischen Giftes erlagen, eines Giftes, das &mdash; geben wir die

selbst&auml;ndige Entwicklung der schwarzen Pest an irgend einer Stelle des

Erdkreises zu, an welcher unter so ausserordentlichen Umst&auml;nden schwerlich

zu zweifeln sein m&ouml;chte &mdash; die Wege des Kreislaufes so feindlich

ergriff, wie nur irgend das Milzbrandgift und andere thierische Contagien,

welche die Lympfdr&uuml;sen zur Anschwellung und Entz&uuml;ndung bringen.</P>

<P align=justify>Verfolgen wir nun den Gang der grossartigen Umw&auml;lzungen

weiter, so erhalten wir Kunde von einem Erdbeben ohne Beispiel, das am 25.

Januar 1348 Griechenland, Italien und die angr&auml;nzenden L&auml;nder

ersch&uuml;tterte. Neapel, Rom, Pisa, Bologna, Padua, Venedig und viele andere

St&auml;dte litten bedeutend, ganze Ortschaften versanken, Burgen, H&auml;user

und Kirchen st&uuml;rzten zusammen, und Hunderte von Menschen wurden unter

Tr&uuml;mmern begraben ). In K&auml;rnthen fielen dreissig Ortschaften und alle

Kirchen zusammen, mehr als tausend Leichen wurden unter dem Schutt

hervorgezogen, die Stadt Villach wurde so von Grund aus zerst&ouml;rt, dass nur

wenige Einwohner sich retteten, und als der Boden aufh&ouml;rte zu schwanken,

sah man Berge von ihrer Stelle ger&uuml;ckt und viele D&ouml;rfer

versch&uuml;ttet&nbsp;). Bei diesem Erdbeben soll der Wein in den F&auml;ssern

tr&uuml;be geworden sein, eine Angabe, die den Beweis stattgefundener

entmischender Luftver&auml;nderungen darbietet; h&auml;tten wir aber auch keine

andere Nachricht, aus der die Anregung widerstreitender Naturkr&auml;fte

w&auml;hrend </FONT><FONT face=Arial size=1>[21]</FONT><FONT size=3> dieser

Ersch&uuml;tterungen hervorgehen k&ouml;nnte, so ist in neuerer Zeit durch

wissenschaftliche Beobachtungen dargethan worden, dass das Verh&auml;ltniss der

Atmosph&auml;re zum Erdk&ouml;rper durch vulkanischen Einfluss sich &auml;ndert:

wie sollte hieraus nicht auf jene ausserordentlichen Ereignisse

zur&uuml;ckgeschlossen werden k&ouml;nnen? Wir wissen aber noch ausserdem, dass

w&auml;hrend dieses Erdbebens, dessen Dauer von einigen auf acht, von anderen

selbst auf vierzehn Tage angegeben wird, die Menschen eine ungew&ouml;hnliche

Bet&auml;ubung und Kopfschmerz empfanden, viele sogar ohnm&auml;chtig

wurden&nbsp;). Bis in die Gegend von Basel erstreckten sich die

zerst&ouml;renden Erdersch&uuml;tterungen&nbsp;), und sie wiederholten sich bis

gegen 1360 in ganz Deutschland, Frankreich, Schlesien, Polen, England und

D&auml;nemark, und weiter hinauf im hohen Norden&nbsp;). Grosse und seltene

Meteore erschienen an vielen Orten, und wurden mit dem Grausen des Aberglaubens

angestaunt; eine Feuers&auml;ule, die am 20. December 1348 bei Sonnenaufgang

eine Stunde lang &uuml;ber dem Pallaste des Papstes in Avignon stand&nbsp;), und

eine Feuerkugel, die im August desselben Jahres bei Sonnenuntergang &uuml;ber

Paris gesehen wurde, und sich vor &auml;hnlichen Erscheinungen durch

l&auml;ngere Dauer auszeichnete&nbsp;), anderes nicht zu erw&auml;hnen, was die

Chroniken </FONT><FONT face=Arial size=1>[22]</FONT><FONT size=3> dieses

Jahrhunderts, vermischt mit wundersamen Sagen und Deutungen, darbieten.</P>

<P align=justify>Schon 1345 und fr&uuml;her begannen in Europa die Vorzeichen

dieser Ersch&uuml;tterungen: die Ordnung der Jahreszeiten schien ver&auml;ndert,

Regen, Ueberschwemmungen, Misswachs waren so allgemein, dass nur wenige Gegenden

verschont blieben, und wenn ein Geschichtsschreiber dieses Jahrhunderts

versichert, es w&auml;re Ueberfluss in den Scheunen und Vorrathskammern

gewesen&nbsp;), so widerstreiten ihm einstimmig alle Zeitgenossen. Bald wurden

die Folgen des Misswachses f&uuml;hlbar, besonders in Italien und den

angr&auml;nzenden L&auml;ndern, wo in dem genannten Jahre ein vier Monate

anhaltender Regen die Saaten verdorben hatte. In den gr&ouml;sseren St&auml;dten

musste man schon im Fr&uuml;hjahr 1347 zu Brotvertheilungen unter die Armen

schreiten, namentlich in Florenz, wo man grosse B&auml;ckereien einrichtete, aus

denen im April t&auml;glich 94'000 Portionen Brot zu zw&ouml;lf Unzen

verabreicht wurden&nbsp;); aber es liegt am Tage, dass die Menschenliebe die

allgemeine Noth nur hier und da zu lindern, ihr aber nicht ganz zu steuern

vermochte. Krankheiten, die unabwendbaren Folgen der Hungersnoth, brachen auf

dem Lande wie in den St&auml;dten aus, Kinder starben vor Hunger in den Armen

ihrer M&uuml;tter, Mangel, Elend, Verzweiflung waren allgemein in der ganzen

Christenheit&nbsp;).</P>

<P align=justify>Dies sind die Ereignisse vor dem Ausbruche der schwarzen Pest

in Europa. Die Zeitgenossen haben sie nach ihrer Art gedeutet, und haben damit,

wie unter &auml;hnlichen Umst&auml;nden ihre sp&auml;ten Nachkommen, den Beweis

gegeben, dass den Sterblichen weder die Sinne noch hinreichende </FONT><FONT

face=Arial size=1>[23]</FONT><FONT size=3> Geistessch&auml;rfe zu Gebote stehen,

die Regungen des Erdorganismus in ihren Erscheinungen, geschweige denn in ihren

Wirkungen wissenschaftlich zu erkennen. Der Aberglaube, die Selbstsucht in

tausend Gestalten, der D&uuml;nkel der Schulen bem&auml;chtigten sich einzelner

Wahrnehmungen; sie w&auml;hnen in dem Einzelnen das Ganze zu erfassen, und ahnen

nicht den Weltgeist, der die Triebfedern alles Seins in innigem Verein

m&auml;chtiger Naturkr&auml;fte belebt, und keine Erscheinung aus vereinzelten

Ursachen entstehen l&auml;sst. F&uuml;nf Jahrhunderte nach jenem Zeitalter der

Zerst&ouml;rung die Ursachen eines kosmischen Aufruhrs, der in gleicher

Ausdehnung nie wiedergekehrt ist, zu deuten, die Einfl&uuml;sse wissenschaftlich

zu bezeichnen, die in den Leibern der Menschen und Thiere ein so furchtbares

Gift hervorriefe, geht &uuml;ber menschliche Einsicht. Verm&ouml;gen wir selbst

jetzt nicht, mit allen H&uuml;lfsmitteln einer vielseitigen Naturlehre, die

Zust&auml;nde der Atmosph&auml;re anzugeben, durch welche Seuchen hervorgebracht

werden, so d&uuml;rfen wir um so weniger R&uuml;ckschl&uuml;sse von dem

neunzehnten auf das vierzehnte Jahrhundert versuchen; betrachten wir aber die

Vorg&auml;nge in ihrer Allgemeinheit, so giebt uns dieses Jahrhundert

gehaltvolle, f&uuml;r alle Zeiten hochwichtige Lehren. Deutlich offenbart sich

in dem Fortschreiten zusammenh&auml;ngender Naturwirkungen von Osten nach Westen

jenes grosse Naturgesetz, das in dem Leben des Erdorganismus, wie in dem davon

abh&auml;ngigen Leben der V&ouml;lker, schon oft und augenf&auml;llig

hervorgetreten ist. Im innersten Schoosse der Erde war im Jahre 1333 die

Anregung gegeben, die in unabl&auml;ssiger Aufeinanderfolge sechsundzwanzig

Jahre hindurch bis an die westlichen Meeresufer Europa&rsquo;s die

Erdoberfl&auml;che ersch&uuml;tterte. Gleich anfangs nahm der Luftkreis Theil an

den tellurischen Ersch&uuml;tterungen: Atmosph&auml;rische Wasser

&uuml;berflutheten die L&auml;nder, oder versengender Brand liess Pflanzen und

Thiere verschmachten. Die Insectenwelt wurde wunderbar belebt, es schien, als

sollte das Lebende die Zerst&ouml;rung vollenden, welche die </FONT><FONT

face=Arial size=1>[24]</FONT><FONT size=3> astralischen und tellurischen

Kr&auml;fte begonnen hatten. So gewann dies grause Werk der Natur von Jahr zu

Jahr gr&ouml;ssere Ausdehnung, es war eine fortschreitende Ansteckung der Zonen,

die &uuml;ber und unter der Erde ihre m&auml;chtigen Schwingen regte, und schon

in den ersten Jahren des tellurischen Aufruhrs in China, erkennbar an leichteren

Vorbedeutungen, den ganzen Erdball durchzuckte.</P>

<P align=justify>Die Natur der ersten Seuchen in China ist unbekannt; wir haben

erst sichere Kunde von der Krankheit, nachdem sie schon in die westlichen

L&auml;nderstriche Asiens eingedrungen war. Hier zeigte sie sich als die

morgenl&auml;ndische Pest mit Lungenbrand, als welche sie vielleicht auch in

China begonnen haben mochte, d.&nbsp;h. als ein Uebel, welches sich mehr als

irgend ein anderes durch Ansteckung verbreitet, eine Ansteckung, die in

gew&ouml;hnlichen Pestseuchen die unmittelbare Ber&uuml;hrung, und nur unter

seltenen ung&uuml;nstigen Umst&auml;nden die blosse N&auml;he des Kranken

erfordert. Gewiss war der Antheil dieser Ursache an der Verbreitung der Pest

&uuml;ber den ganzen Erdkreis ein &uuml;beraus wichtiger, und die Vermuthung,

der schwarze Tod h&auml;tte vom westlichen Europa durch gute Massregeln,

&auml;hnlich den jetzt erprobten, abgehalten werden k&ouml;nnen, w&uuml;rde alle

Gr&uuml;nde der neuern Erfahrung f&uuml;r sich haben, wenn irgend zu beweisen

w&auml;re, dass diese Seuche wirklich aus dem Orient hereingebracht worden sei,

oder dass die morgenl&auml;ndische Pest &uuml;berhaupt, so oft sie in Europa

sich gezeigt, jedesmal in Asien oder Aegypten ihren Ursprung genommen habe. Ein

solcher Beweis kann aber auf keine Weise &uuml;berzeugend gef&uuml;hrt werden,

denn er w&uuml;rde durch die unm&ouml;gliche Voraussetzung bedingt werden, dass

entweder in den Kulturverh&auml;ltnissen der europ&auml;ischen V&ouml;lker in

den &auml;ltesten und in den neueren Zeiten kein wesentlicher Unterschied statt

finde, oder dass Sch&auml;dlichkeiten, die nur erst der Entwilderung der

menschlichen Gesellschaft und dem regelm&auml;ssigen Anbau der L&auml;nder

gewichen sind, ehedem die Bubonenpest nicht unterhalten konnten. Die Pest war

vielmehr in Europa, </FONT><FONT face=Arial size=1>[25]</FONT><FONT size=3>

bevor noch Handel und gesellschaftlicher Verkehr die V&ouml;lker

vereinte&nbsp;); es ist daher mit Grund zu vermuthen, dass sie sich durch rohe

Lebensweise und die Unkultur des Bodens selbst&auml;ndig entwickelt hat,

Einfl&uuml;sse, welche die Entstehung schwerer Krankheiten recht eigentlich

beg&uuml;nstigen. Nun brauchen wir nicht einmal in die fr&uuml;heren

Jahrhunderte zur&uuml;ckzugehen, denn das vierzehnte selbst z&auml;hlte vor

seiner Mitte bereits f&uuml;nf oder sechs Pestseuchen&nbsp;). Erw&auml;gen wir

daher die Eigenth&uuml;mlichkeit der Pest, dass sie in den L&auml;ndern, die sie

einmal heimgesucht hat, noch eine l&auml;ngere Zeit in milderen Formen

fortdauert, und dass die epidemischen Einfl&uuml;sse von 1342, wo sie sich zum

letztenmale gezeigt hatte, bis 1348 ihrem stillen Fortwuchern &uuml;beraus

g&uuml;nstig waren, so ergiebt sich die Annahme, dass auch in diesem

verh&auml;ngnisvollen Jahre Keime der Pest im s&uuml;dlichen Europa vorhanden

waren, welche durch atmosph&auml;rische Sch&auml;dlichkeiten geweckt werden

konnten, dass also der schwarze Tod, wenigstens zum Theil, in Europa selbst

entstanden sei. Die Verderbnis des Luftmeers kam von Osten, aber die Krankheit

selbst kam nicht auf den Fl&uuml;geln des Windes, sondern sie wurde von der

Atmosph&auml;re nur angeregt und vergr&ouml;ssert, wo sie schon vorhanden

war.</P>

<P align=justify>Dieser Ursprung der schwarzen Pest war jedoch nicht der

alleinige. Denn noch viel m&auml;chtiger als die Anregung schon vorhandener Pest

durch atmosph&auml;rischen Einfluss wirkte die Ansteckung der V&ouml;lker unter

einander </FONT><FONT face=Arial size=1>[26]</FONT><FONT size=3> auf den grossen

Heerstrassen und in den H&auml;fen des mittell&auml;ndischen Meeres. Von China

ging der Zug der Karavanen durch Mittelasien im Norden des kaspischen Meeres bis

nach Taurien; hier harreten Schiffe, um die Erzeugnisse des Orients nach

Konstantinopel zu bringen, der Hauptstadt des Handels und dem Mittelpunkt der

Verbindung von Asien, Europa und Afrika&nbsp;). Andere Z&uuml;ge gingen aus

Indien nach Kleinasien, und ber&uuml;hrten die St&auml;dte im S&uuml;den des

kaspischen Meeres, und endlich von Bagdad aus &uuml;ber Arabien nach Aegypten;

auch war die Schifffahrt auf dem rothen Meere von Indien nach Arabien und

Aegypten nicht unerheblich. In allen diesen Richtungen bahnte sich die

Ansteckung ihre Wege, und ohne Zweifel sind Konstantinopel und die

kleinasiatischen H&auml;fen als die Heerde der Verpestung anzusehen, von denen

diese nach entfernten Hafenst&auml;dten und Inseln ausstrahlte. Nach

Constantinopel war die Pest von den Nordk&uuml;sten des schwarzen Meeres

gebracht worden&nbsp;), nachdem sie bereits die L&auml;nder zwischen jenen

Handelsstrassen entv&ouml;lkert hatte, und schon 1347 zeigte sie sich in Cypern,

Sicilien, Marseille und einigen Hafenst&auml;dten Italiens; die &uuml;brigen

Inseln des mittell&auml;ndischen Meeres, besonders Sardinien, Corsica und

Majorca, wurden eine nach der andern heimgesucht. An der ganzen

S&uuml;dk&uuml;ste Europa&rsquo;s waren also Heerde der Ansteckung bereits in

voller Wirksamkeit, als die Seuche im Januar 1348 in Avignon&nbsp;) und in

anderen s&uuml;dfranz&ouml;sischen und norditalienischen St&auml;dten, so wie in

Spanien erschien. Die Tage ihres Ausbruchs in den einzelnen Ortschaften sind

nicht mehr auszumitteln; aber gleichzeitig war dieser nicht, denn in Florenz

erschien die Krankheit zu Anfang April&nbsp;), </FONT><FONT face=Arial

size=1>[27]</FONT><FONT size=3> in Cesena den 1. Juni&nbsp;), und das ganze Jahr

&uuml;ber wurde ein Ort nach dem andern ergriffen, so dass die Seuche, nachdem

sie ganz Frankreich und Deutschland, wo sie jedoch erst im folgenden Jahre ihre

gr&ouml;ssten Verheerungen machte, durchwandert hatte, erst im August in England

ausbrach, wo sie denn auch nur so allm&auml;hlig fortschritt, dass sie erst drei

Monate sp&auml;ter London erreichte&nbsp;). Die nordischen Reiche wurden von ihr

1349, und zwar Schweden erst im November dieses Jahres, befallen, also fast zwei

Jahre nach ihrem Ausbruch in Avignon&nbsp;). Polen erhielt die Seuche im Jahre

1349 wahrscheinlich aus Deutschland&nbsp;), wo nicht aus den nordischen

L&auml;ndern, in Russland aber zeigte sie sich erst 1351, l&auml;nger als drei

Jahre nach ihrem Ausbruch in Konstantinopel. Anstatt von Taurien und vom

kaspischen Meere nordwestlich vorzudringen, hatte sie also den grossen Umweg vom

schwarzen Meere &uuml;ber Konstantinopel, das s&uuml;dliche und mittlere Europa,

England, die nordischen Reiche und Polen gemacht, bevor sie die moskowitischen

Gauen erreichte, eine Erscheinung, die bei sp&auml;teren, aus Asien stammenden

Weltseuchen nicht wieder vorgekommen ist.</P>

<P align=justify>Ob zwischen der vorhandenen, durch atmosph&auml;rische

Einwirkung angeregten, und der durch Ansteckung hereingebrachten Pest

Unterschied statt gefunden haben, ist aus den Thatsachen nicht mehr zu

ergr&uuml;nden; denn die Zeitgenossen, die &uuml;berhaupt genaueren

Untersuchungen dieser Art nicht gewachsen waren, haben dar&uuml;ber keine

Angaben hinterlassen. Eine mildere und eine b&ouml;sartigere Form war allerdings

vorhanden, und jene hatte sich wohl </FONT><FONT face=Arial

size=1>[28]</FONT><FONT size=3> nicht immer aus dieser herausgebildet, wie

daraus zu vermuthen ist, dass das Blutspeien, das untr&uuml;gliche Merkmal der

letzten, bei dem ersten Ausbruche der Seuche nicht gleichm&auml;ssig in allen

Berichten erw&auml;hnt wird, und nun ist es wahrscheinlich, dass die mildere der

einheimischen, die b&ouml;sartige der durch Ansteckung hereingebrachten Pest

angeh&ouml;re. Die Ansteckung aber war an sich nur eine von den vielen Ursachen,

welche die schwarze Pest hervorriefen; diese Krankheit war, wenn irgend eine,

kosmischen Ursprungs, eine Folge m&auml;chtiger Regungen des Erdorganismus. Eine

Triebfeder setzte zur Vernichtung lebender Wesen tausend andere in Bewegung,

verg&auml;ngliche oder nachhaltige, nah- oder fernwirkende; &mdash; die

m&auml;chtigste von allen war die Ansteckung, denn in den fernsten L&auml;ndern,

die kaum noch den Nachhall der ersten Ersch&uuml;tterung vernommen hatten,

erlagen die V&ouml;lker der organischen Vergiftung, der Ausgeburt in Aufruhr

gerathener Lebenskr&auml;fte.</P></FONT><B><FONT face="Fraktur BT">

<P align=center><A name=_Toc428895993>4.

Menschenverlust&nbsp;</A></P></B></FONT><FONT size=3>

<P align=justify>Die Verheerungen der schwarzen Pest zu beurtheilen, haben wir

keinen sichern Massstab, wenn Zahlenverh&auml;ltnisse verlangt werden, wie in

neueren Zeiten. Man versetze sich einen Augenblick zur&uuml;ck in das vierzehnte

Jahrhundert. Die V&ouml;lker waren noch wenig entwildert. Die Kirche hatte sie

wohl geb&auml;ndigt, aber sie litten alle an den Nachwehen urspr&uuml;nglicher

Rohheit. Die Herrschaft der Gesetze war noch nicht befestigt, noch &uuml;berall

hatten die F&uuml;rsten m&auml;chtige Feinde der innern Ruhe und Sicherheit zu

bek&auml;mpfen; die St&auml;dte waren Festungen zu eigener Nothwehr, an den

Wegen lagerten Raubritter, der Landmann war Lehnsknecht, ohne eigenen Besitz,

Rohheit allgemein, Menschlichkeit noch nicht in der Sinnesart der V&ouml;lker.

Die Scheiterhaufen der Hexen und Ketzer loderten hoch auf, sanfte Herrscher

erschienen schwach, &uuml;berall wilde Leidenschaften, H&auml;rte, Grausamkeit;

[29] &mdash; Menschenleben hatte geringen Werth, die Staaten k&uuml;mmerten sich

nicht um die Zahl ihrer Unterthanen, f&uuml;r deren Wohl zu sorgen ihnen oblag.

Das erste Erforderniss also, um den Menschenverlust zu ermessen, die Kenntnis

der Volkszahl, geht uns durchaus ab, und nun sind wiederum die

&uuml;berlieferten Angaben dieses Verlustes so ungenau, dass auch von dieser

Seite nur Raum bleibt f&uuml;r ungef&auml;hre Vermuthungen.</P>

<P align=justify>Kairo verlor w&auml;hrend der gr&ouml;ssten Wuth der Seuche

t&auml;glich 10- bis 15'000 Menschen, so viel als hier in neuerer Zeit grosse

Pesten im Ganzen weggerafft haben. In China sollen &uuml;ber dreizehn Millionen

gestorben sein, und dem entsprechen die gewiss &uuml;bertriebenen Berichte aus

dem &uuml;brigen Asien. Indien wurde entv&ouml;lkert, die Tartarei, das

tartarische Reich Kaptschak, Mesopotamien, Syrien, Armenien waren mit Leichen

bedeckt, die Kurden flohen, ohne Rettung zu finden, in die Berge, Caramanien und

C&auml;sarea starben aus; an den Wegen, auf den Lagerpl&auml;tzen, in den

Caravanserai's sah man nur unbeerdigte Todte, und nur einige St&auml;dte

(arabische Geschichtsschreiber nennen Maara el nooman, Schisur und Harem)

blieben auf unerkl&auml;rliche Weise frei. In Aleppo starben t&auml;glich 500,

in Gaza innerhalb sechs Wochen 22'000 Menschen und die meisten Thiere; Cypern

verlor fast alle seine Einwohner&nbsp;), und oft sah man im

mittell&auml;ndischen Meere, wie sp&auml;ter in der Nordsee, Schiffe ohne Lenker

umhertreiben, die die Pest verbreiteten, wo sie auf den Strand geriethen&nbsp;).

Dem Papste Clemens in Avignon wurde berichtet, im ganzen Orient, wahrscheinlich

mit Ausnahme von China, w&auml;ren 23'840'000 Menschen von der Pest weggerafft

worden&nbsp;). Die Genauigkeit dieser Angabe k&ouml;nnte Verdacht erregen, wenn

man sich der [30] Begebenheiten des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts

erinnert. Wie h&auml;tten so grosse Kriege gef&uuml;hrt, so gewaltige

Anstrengungen unternommen, das griechische Kaiserthum nur hundert Jahre

sp&auml;ter gest&uuml;rzt werden k&ouml;nnen, wenn die V&ouml;lker wirklich so

ganz aufgerieben gewesen w&auml;ren? Aber die Erfahrung, dass die Pal&auml;ste

der F&uuml;rsten den Seuchen weniger zug&auml;nglich sind, und dass an wichtigen

Orten die Einwanderung aus verschonteren Gegenden selbst die gr&ouml;ssten

Verluste bald ersetzt, macht diese Nachricht glaublich; sie erinnert uns auch,

dass mit den todten Zahlen ohne eindringende Kenntniss des Wesens der

menschlichen Gesellschaft nicht eben viel gethan ist. Wir wollen uns darauf

beschr&auml;nken, einige der zuverl&auml;ssigeren Nachrichten aus

europ&auml;ischen St&auml;dten aufzuf&uuml;hren:</P></FONT>

<TABLE border=0 cellPadding=4 cellSpacing=0 width=354>

<TBODY>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Florenz starben an der schwarzen

Pest:</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>60'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Venedig</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>100'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Marseille in einem Monat</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>16'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Siena</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>70'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Paris</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>50'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In St. Denys</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>14'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Avignon</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>60'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>) </FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Strassburg</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>16'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In L&uuml;beck</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>9'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Basel</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>14'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%>&nbsp;</TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Erfurt wenigstens</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>16'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%>&nbsp;</TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Weimar</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>5'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Limburg</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>2'500</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In London wenigstens</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>100'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>In Norwich</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>51'100</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>Hierzu kamen:</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=11%>&nbsp;</TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>Barf&uuml;sser M&ouml;nche in

Deutschland</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>124'434</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=73%><FONT size=3>

<P align=justify>Minoriten in Italien</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=16%><FONT size=3>

<P align=right>30'000</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=11%><SUP><FONT size=3>

<P align=center></SUP>)</FONT></P></TD></TR></TBODY></TABLE><FONT size=3>

<P align=justify>[32] Dieses kurze Verzeichnis k&ouml;nnte durch m&uuml;hsame

und unsichere Berechnung anderweitiger Angaben noch leicht vervielf&auml;ltigt

werden, w&uuml;rde aber doch niemals ein anschauliches Bild der geschehenen

Verheerungen gew&auml;hren. L&uuml;beck &mdash; damals das nordische Venedig

&mdash; das die zustr&ouml;mende Volksmenge nicht mehr fassen konnte, gerieth

bei dem Ausbruch der Pest in so grosse Verwirrung, dass seine B&uuml;rger wie im

Wahnsinne von dem Leben Abschied nahmen. Kaufleute, denen Erwerb und Besitz

&uuml;ber alles ging, entsagten kalt und willig ihren irdischen G&uuml;tern. Sie

trugen ihre Sch&auml;tze in die Kl&ouml;ster und Kirchen, um sich ihrer auf den

Stufen der Alt&auml;re zu entledigen; aber f&uuml;r die M&ouml;nche hatte das

Gold keinen Reiz, denn es brachte den Tod. Sie schlossen die Pforten &mdash;

doch warf man es ihnen noch &uuml;ber die Klostermauern; man wollte kein

Hinderniss an dem letzten frommen Werke, zu dem die stumme Verzweiflung

gerathen. Als die Seuche vor&uuml;ber war, glaubte man nur noch unter Leichen zu

wandeln, denn alle Ueberlebenden waren von widriger Todtenfarbe entstellt, in

Folge ausgestandener Angst und unabwendbarer Verpestung der Luft&nbsp;). Einen

&auml;hnlichen Anblick m&ouml;gen viele andere St&auml;dte gew&auml;hrt haben,

und es ist ausgemacht, dass eine grosse Anzahl Flecken und D&uuml;rfer, die man

nicht zu hoch auf 200'000 angiebt&nbsp;), aller ihrer Einwohner beraubt worden

sind. In Frankreich blieben an vielen Orten von zwanzig Einwohnern nur zwei am

Leben&nbsp;), und die Hauptstadt f&uuml;hlte die Wuth der Seuche in den

Wohnungen der Armen wie in den Pall&auml;sten. Zwei K&ouml;niginnen&nbsp;), [33]

ein Bischof&nbsp; und andere Vornehme in grosser Anzahl wurden als ihre Opfer

betrauert, &uuml;ber f&uuml;nfhundert starben t&auml;glich im H&ocirc;tel-Dieu,

unter der treuen Pflege barmherziger Schwestern, deren entsagender Muth unter

den sch&ouml;nsten Z&uuml;gen menschlicher Tugend in diesem grauenvollen

Jahrhundert hervorleuchtet. Denn obwohl sie der sichtlichen Ansteckung erlagen,

und ihre Schaar sich mehrmals erneute, so fehlte es doch nie an Neueintretenden,

denen unchristliche Todesfurcht fremd und fromme Hingebung heiliger Ruf war.

Bald waren die Kirchh&ouml;fe &uuml;berf&uuml;llt, und nicht wenige

ver&ouml;dete H&auml;user verfielen in Tr&uuml;mmer&nbsp;). In Avignon sah der

Papst sich gen&ouml;thigt, die Rhone zu weihen, damit die Leichen ohne Aufschub

hineingeworfen werden konnten, als die Kirchh&ouml;fe nicht mehr

ausreichten&nbsp;), wie denn in allen volkreichen St&auml;dten

ungew&ouml;hnliche Maassregeln ergriffen wurden, um sich der Todten schnell zu

entledigen. In Wien, wo eine Zeitlang t&auml;glich an 1'200 Einwohner

starben&nbsp;), wurde die Bestattung der Leichen auf den Kirchh&ouml;fen und

innerhalb der Kirchen sofort untersagt, und nun reihte man die Todten

schichtweise zu Tausenden in sechs grosse Gruben ausserhalb der Stadt&nbsp;),

wie dies [34] schon in Kairo und Paris geschehen war. Doch wurden noch viele

heimlich begraben, denn zu allen Zeiten h&auml;ngt das Volk an der geweihten

Ruhest&auml;tte seiner Todten, und mag sich die hergebrachte Weise der

Bestattung nicht nehmen lassen. Ger&uuml;chte verbreiteten sich an vielen Orten,

man habe Pestkranke lebendig begraben&nbsp;), wie dies geschieht bei sinnlosem

Schreck und unziemlicher Eilfertigkeit, und so stieg allenthalben das Entsetzen

unter dem ge&auml;ngsteten Volke. In Erfurt wurden, nach Ueberf&uuml;llung der

Kirchh&ouml;fe, 12'000 Leichen in 11 grosse Gruben geworfen, und Aehnliches

k&ouml;nnte mehr oder minder genau von allen gr&ouml;sseren St&auml;dten

berichtet werden&nbsp;); feierliche Leichenbestattung, der letzte Trost der

Hinterbliebenen, war aller Orten unausf&uuml;hrbar. In ganz Deutschland sollen,

nach wahrscheinlicher Berechnung, doch nur 1'244'434 Einwohner gestorben

sein&nbsp;); dies Land blieb indessen mehr verschont, als die &uuml;brigen.

Italien aber wurde am h&auml;rtesten betroffen, man sagt, es habe die

H&auml;lfte seiner Einwohner verloren&nbsp;), und diese Angabe ist

glaubw&uuml;rdig bei den ungeheuren Verlusten der einzelnen St&auml;dte und

Landschaften. Denn in Sardinien und Corsica blieb nach dem Berichte des

trefflichen Florentiners <B>Johann Villani</B>, den die schwarze Pest selbst

abforderte, kaum der dritte Theil der Volksmenge am Leben&nbsp;), und von den

Venetianern wird erz&auml;hlt, sie h&auml;tten zu hohen Preisen Schiffe

gemiethet, um nach den Inseln zu entfliehen, so dass die stolze Stadt, nachdem

die [35] Pest drei Viertheile ihrer Einwohner weggerafft, &ouml;de und

menschenleer geworden&nbsp;). In Padua fehlten nach dem Aufh&ouml;ren der Seuche

zwei Drittheile der Einwohner, und in Florenz erging ein Verbot, die Zahl der

Verstorbenen bekannt zu machen, und sie mit Grabgel&auml;ute zu bestatten, damit

die Lebenden sich nicht der Verzweiflung hing&auml;ben&nbsp;).</P>

<P align=justify>Von England haben wir genauere Nachrichten. Die meisten grossen

St&auml;dte erlitten unglaubliche Verluste, vor allen Yarmouth, wo 7'052

Einwohner starben, Bristol, Oxford, Norwich, Leicester, York und London, wo

allein auf einem Begr&auml;bnissplatze &uuml;ber 50'000 Leichen, schichtweise in

grosse Gruben eingereiht, beerdigt wurden&nbsp;). Man sagt, es sei im ganzen

Lande kaum der Zehnte am Leben geblieben&nbsp;), doch ist diese Angabe offenbar

zu hoch; schon geringere Verluste konnten die Ersch&uuml;tterungen

hervorbringen, deren Folgen in einer nachtheiligen Richtung des

b&uuml;rgerlichen Lebens noch einige Jahrhunderte f&uuml;hlbar blieben, und

ihren mittelbaren Einfluss, den Engl&auml;ndern unbewusst, vielleicht bis in die

neuere Zeit fortgepflanzt haben. Durchweg verschlechterten sich die Sitten, der

Gottesdienst wurde grossentheils eingestellt, denn an vielen Orten

ver&ouml;deten die Kirchen, ihrer Priester beraubt; der Volksunterricht wurde

gel&auml;hmt&nbsp;), die [36]Habsucht nahm zu, und als die Ruhe wiedergekehrt

war, erstaunte man &uuml;ber die grosse Zunahme von Rechtsanwalten, denen die

endlosen Erbstreitigkeiten reichlichen Erwerb darboten. Dabei wirkte der Mangel

an Priestern im ganzen Lande &uuml;beraus nachtheilig auf das Volk, dessen

niedere St&auml;nde den Verheerungen der Seuche am meisten blossgestellt waren,

w&auml;hrend die H&auml;user der Lords verh&auml;ltnissm&auml;ssig mehr

verschont blieben, und es konnte nicht frommen, dass ganze Schaaren unwissender

Laien, die w&auml;hrend der Pest ihre Frauen verloren, sich in die geistlichen

Orden dr&auml;ngten, um an dem Ansehn des Priesterstandes und den reichen

Erbschaften Theil zu nehmen, die der Kirche von alle Seiten zugefallen waren.

Die Sitzungen des Parlaments, der Kings-Bench und der meisten anderen Gerichte

wurden, so lange die Pest w&uuml;thete, ausgesetzt: die Gesetze des Friedens

galten nicht w&auml;hrend der Herrschaft des Todes. Diesen Zustand der

Aufl&ouml;sung benutzte der Papst <B>Clemens</B>, um den blutigen Hader zwischen

<B>Eduard</B> III. und <B>Philipp</B> VI. zu schlichten, doch gelang ihm dies

nur f&uuml;r die Zeit, als die Pest Frieden gebot, der Tod <B>Philipp</B>'s

(1350) vernichtete alle Vertr&auml;ge, und man erz&auml;hlt, dass Eduard zwar

mit anderen S&ouml;ldlingen, aber mit denselben Heerf&uuml;hrern und Rittern

wieder ins Feld gezogen sei. Irland wurde viel weniger als England heimgesucht;

die Gebirgsgegenden dieses Reiches soll die Pest kaum ber&uuml;hrt haben; und

auch Schottland w&uuml;rde vielleicht frei geblieben sein, wenn nicht die

Schotten die Niederlage der Engl&auml;nder zu einem Einfall in ihr Gebiet

benutzt h&auml;tten, der damit endete, dass ihr Heer von der Seuche und vom

Schwert aufgerieben wurde, und die Entkommenen die Pest &uuml;ber das ganze Land

verbreiteten.</P>

<P align=justify>Zu Anfang war in England Ueberfluss an allen

Lebensbed&uuml;rfnissen, aber bald gesellte sich zu der Pest, die das einzige

Uebel zu sein schien, eine m&ouml;rderische Viehseuche. Zu Tausenden fielen die

Thiere, die ohne H&uuml;ter umherirrten, an den Hecken und Z&auml;unen, und wie

[37] man &auml;hnliches in Afrika gesehen, so sollen auch hier die V&ouml;gel

und Raubthiere sie nicht anger&uuml;hrt haben. Von welcher Art diese Seuche

gewesen, kann eben so wenig bestimmt werden, als ob sie durch Ansteckung von

Pestkranken oder aus anderen Ursachen entstanden sei; nur so viel ist gewiss,

dass sie erst nach dem Anfang der schwarzen Pest ausbrach. Infolge dieser

Viehseuche, und weil das Getreide von den Feldern nicht eingebracht werden

konnte, entstand &uuml;berall grosse Theuerung, die vielen unerkl&auml;rlich

schien, weil die Erndte gesegnet war, von anderen dem b&ouml;sen Willen der

Arbeiter und Verk&auml;ufer beigemessen wurde, jedoch in wirklichem, durch die

Umst&auml;nde bedingten Mangel ihren Grund hatte, aus dem jederzeit einzelne

Klassen Vortheil zu ziehen pflegen. Ein ganzes Jahr lang, bis zum August 1349,

hauste die schwarze Pest in diesem sch&ouml;nen Lande, und vergiftete

&uuml;berall die Quellen des behaglichen Wohlergehens&nbsp;). In anderen

L&auml;ndern war sie gew&ouml;hnlich nur von halbj&auml;hriger Dauer, doch

kehrte sie an einzelnen Orten h&auml;ufig wieder, worin einige, ohne

gen&uuml;genden Beweis, einen siebenj&auml;hrigen Umlauf annehmen wollten&nbsp;)

</FONT><FONT face=Arial size=2>[dies entspr&auml;che dem Biela'schen

Kometen]</FONT><FONT size=3>.</P>

<P align=justify>Spanien wurde von der schwarzen Pest bis &uuml;ber das Jahr

1350 hinaus unabl&auml;ssig verheert, wozu die h&auml;ufigen inneren Fehden und

die Kriege mit den Mauren nicht wenig beitrugen. <B>Alphons</B> XI., den sein

kriegerischer Eifer zu weit fortriss, starb an ihr bei der Belagerung von

Gibraltar, den 26. M&auml;rz 1350 &mdash; der einzige K&ouml;nig in Europa, den

sie abforderte; aber schon vor dieser Zeit warne zahllose Familien in Trauer

versenkt worden&nbsp;). [38] Im &uuml;brigen scheint die Sterblichkeit in

Spanien geringer als in Italien, und eben so bedeutend als in Frankreich gewesen

zu sein.</P>

<P align=justify>Der Zeitraum des verderblichen W&uuml;thens der schwarzen Pest

fiel f&uuml;r ganz Europa, mit Ausnahme von Russland, auf die vier Jahre von

1347 bis 1350. Die Seuchen, die sp&auml;terhin, bis 1383&nbsp;) oftmals

wiederkehrend die V&ouml;lker heimsuchten, z&auml;hlen wir nicht mehr zu dem

&quot;grossen Sterben&quot;, sondern es waren gew&ouml;hnliche Pesten, ohne

Lungenbrand, wie in der Vorzeit und in den n&auml;chsten Jahrhunderten,

hervorgerufen durch &uuml;berall verhaltenen Ansteckungsstoff, der bei jeder

g&uuml;nstigen Gelegenheit neuen Boden gewinnen konnte, wie dies zu geschehen

pflegt bei dieser furchtbaren Krankheit. Das Zusammenstr&ouml;men grosser

Menschenmassen war besonders gef&auml;hrlich, und so bewirkte denn, noch

w&auml;hrend der grossen Epidemie, die vorzeitige Feier des Jubeljahres (1350),

zu welcher <B>Clemens</B> VI. die Gl&auml;ubigen nach Rom beschied, einen neuen

Ausbruch der Seuche, der von hundert Pilgern kaum einer entgangen sein

soll&nbsp;). Italien wurde dadurch aufs Neue entv&ouml;lkert, und die

R&uuml;ckkehrenden verbreiteten Gift und Sittenverderbniss wiederum nach allen

Richtungen&nbsp;). Es leuchtet um so weniger ein, wie jener sonst so weise und

besonnene Papst, der sich unter den schwierigsten Verh&auml;ltnissen auf dem

Wege der Vernunft und Menschlichkeit zu halten wusste, zu einer so verderblichen

Anordnung gekommen, da er selbst von der Heilsamkeit der Sperre so

&uuml;berzeugt war, dass er w&auml;hrend der Pest in Avignon bei best&auml;ndig

unterhaltenem Kaminfeuer keinem Sterblichen ihm zu nahen erlaubte&nbsp;), [39]

und auch im Uebrigen nur Befehle gab, die vieles Elend verh&uuml;teten, oder

linderten.</P>

<P align=justify>Die Ver&auml;nderungen, die um diese Zeit im hohen Norden

vorgingen, sind denkw&uuml;rdig genug, um bei ihnen einige Augenblicke zu

verweilen. In Schweden starben zwei Prinzen, <B>H&aring;kan</B> und <B>Knut</B>,

Halbbr&uuml;der des K&ouml;nigs <B>Magnus</B>, und in Westgothland allein 466

Priester&nbsp;). Die Bewohner von Island und Gr&ouml;nland fanden in der

K&auml;lte ihres unwirthbaren Himmelsstriches keinen Schutz gegen den

s&uuml;dlichen Feind, der aus gl&uuml;cklicheren L&auml;ndern zu ihnen gedrungen

war; die Pest hauste weidlich unter ihnen, die Natur brachte ihre

best&auml;ndigen K&auml;mpfe gegen die Elemente und den ihnen so k&auml;rglich

zugemessenen Lebensgenuss, nicht zu ihren Gunsten in Anschlag&nbsp;). In

D&auml;nemark und Norwegen aber war man mit dem eigenen Elend so

besch&auml;ftigt, dass die gew&ouml;hnlichen Gr&ouml;nlandsfahrten unterblieben.

Zugleich th&uuml;rmten sich Eisberge an den K&uuml;sten von Ostgr&ouml;nland,

&mdash; in Folge der allgemeinen Ersch&uuml;tterungen des Erdorganismus, &mdash;

und kein Sterblicher hat fortan diese Gestade und ihre Bewohner je wieder

gesehen&nbsp;) [Vgl. <I>Der (bislang) Letzte Grosse Ruck</I>].</P>

<P align=justify>Dass in Russland die schwarze Pest erst 1351 ausbrach, nachdem

sie den S&uuml;den und Norden Europa's bereits durchwandert hatte, ist oben

bemerkt worden. Auch in diesem Lande war die Sterblichkeit ausserordentlich

gross, und es wiederholten sich dieselben Scenen der Trauer und Verzweiflung wie

bei den V&ouml;lkern, die nun schon das Schlimmste &uuml;berstanden hatten:

dieselbe Art der Todtenbestattung, [40] dieselbe grauenvolle Gewissheit des

Todes, dieselbe dumpfe Erstarrung der Gem&uuml;ther. Reiche entsagten ihren

Sch&auml;tzen, und schenkten ihre D&ouml;rfer und L&auml;ndereien den Kirchen

und Kl&ouml;stern, denn dies war nach den Vorstellungen des Zeitalters das

sicherste Mittel, der Gnade des Himmels theilhaftig und der Vergebung begangener

S&uuml;nden gewiss zu werden. Auch in Russland brachte Furcht und Grauen die

Stimme der Natur zum Schweigen: V&auml;ter und M&uuml;tter verliessen ihre

Kinder, und Kinder ihre Aeltern in der Stunde der Gefahr&nbsp;).</P>

<P align=justify>Von allen Annahmen &uuml;ber die Gr&ouml;sse des

Menschenverlustes in Europa ist die wahrscheinlichste, dass im Ganzen der

<B>vierte Theil</B> der Einwohner von der schwarzen Pest weggerafft worden sei.

Wenn nun gegenw&auml;rtig Europa von 210 Millionen bewohnt wird, so betrug die

Volksmenge im vierzehnten Jahrhundert, um eine h&ouml;here Angabe zu vermeiden,

die leicht gerechtfertigt werden k&ouml;nnte, mindestens 105 Millionen. Es kann

also mit Grund und ohne Uebertreibung angenommen werden, dass Europa durch die

schwarze Pest <B>f&uuml;nfundzwanzig Millionen</B> Einwohner verloren hat.</P>

<P align=justify>Dass die V&ouml;lker eine so furchtbare Ersch&uuml;tterung im

Aeussern doch so bald verwinden, und sich &uuml;berhaupt ohne gr&ouml;ssere

R&uuml;ckschritte, als wirklich geschahen, so entwickeln konnten, wie sie in den

folgenden Jahrhunderten auftraten, ist der &uuml;berzeugendste Beweis der

Unverw&uuml;stlichkeit der menschlichen Gesellschaft in ihrer Gesammtheit.

Anzunehmen, dass diese in ihrem Innern keine wesentlichen Ver&auml;nderungen

erlitten habe, weil dem Anscheine nach alles beim Alten blieb, widerstreitet

indessen einer richtigen Ansicht von Ursache und Wirkung. Viele

Geschichtsschreiber scheinen sich zu einer solchen Meinung zu bekennen, gewohnt,

nach ihrer Weise, den sittlichen Zustand der V&ouml;lker allein nach dem Wechsel

[41] der irdischen Macht, den Ausg&auml;ngen der K&auml;mpfe, und dem Einfluss

der Religion zu beurtheilen, an den grossen Naturerscheinungen aber, die nicht

nur die Oberfl&auml;che der Erde, sondern auch die Gem&uuml;ther umgestalten,

gleichg&uuml;ltig vor&uuml;berzugehen, wie denn die meisten unter ihnen das

grosse Sterben im vierzehnten Jahrhundert nur oberfl&auml;chlich ber&uuml;hrt

haben. Wir unseres Theils sind der Ueberzeugung, dass der schwarze Tod zu den

gr&ouml;ssten Weltbegebenheiten geh&ouml;rt, welche den gegenw&auml;rtigen

Zustand von Europa vorbereitet haben. Hierzu werden sich vielleicht f&uuml;r den

umsichtigen Beobachter des menschlichen Gem&uuml;ths, wie f&uuml;r den Kenner

der geistigen Kr&auml;fte, welche V&ouml;lker und Staaten in Bewegung setzen, im

Folgenden einige Beweise ergeben. Vor der Hand war die Steigerung der Hierarchie

in den meisten L&auml;ndern auffallend, denn die Kirche erwarb aller Orten

Sch&auml;tze und grossen L&auml;nderbesitz, mehr noch, als nach den

Kreuzz&uuml;gen; die Erfahrung aber hat gezeigt, dass ein solcher Zustand den

V&ouml;lkern verderblich ist, und sie zu R&uuml;ckschritten veranlasst, deren

ohnehin schon viele geschahen.</P>

<P align=justify>Nach dem Aufh&ouml;ren der grossen Pest war eine gr&ouml;ssere

Fruchtbarkeit der Weiber &uuml;berall auffallend &mdash; dieselbe grossartige

Erscheinung, die nach jeder verheerenden Seuche das Walten einer h&ouml;heren

Macht in der Richtung des organischen Gesammtlebens &mdash; wenn irgend ein

anderer Vorgang &mdash; &uuml;berzeugend beweist. Die Ehen waren fast ohne

Ausnahme gesegnet, und h&auml;ufiger als sonst wurden Zwillinge und Drillinge

geboren, wobei wir der sonderbaren Sage gedenken m&uuml;ssen, dass nach dem

grossen Sterben die Kinder weniger Z&auml;hne erhalten haben sollen, als

fr&uuml;her, wor&uuml;ber die Zeitgenossen sich gewaltig entsetzten, und auch

Sp&auml;tere leichtgl&auml;ubig in Verwunderung gerathen sind. Geht man dieser

oft wiederholten Angabe auf den Grund, so ergiebt sich bald, dass man sich nur

eigentlich dar&uuml;ber wunderte, bei den Kindern nur zwanzig oder

h&ouml;chstens zweiundzwanzig Z&auml;hne ausbrechen zu sehen, als ob ihnen

jemals mehr [42] zu Theil geworden w&auml;ren&nbsp;). Irgend ein Schriftsteller

von Gewicht, wie z.&nbsp;B. der Arzt Savonarola&nbsp;) in Ferrara, die

wahrscheinlich achtundzwanzig Z&auml;hne bei den Kindern suchten, liessen

dar&uuml;ber ihre Bedenken laut werden; man schrieb ihnen nach, ohne selbst zu

sehen, wie oft bei anderen Dingen, die eben so am Tage liegen, und siehe da, die

Welt glaubte an das Wunder einer Unvollkommenheit des menschlichen K&ouml;rpers,

die von der schwazen Pest bewirkt worden sei. Allm&auml;hlig verschmerzten die

V&ouml;lker die ausgestandenen Leiden, die Todten wurden betrauert und

vergessen, und die Welt geh&ouml;rte den Lebenden im regen Wechsel des

Daseins&nbsp;).</P></FONT><B><FONT face="Fraktur BT">

<P align=center><A name=_Toc428895994>5. Moralische

Folgen</A></P></B></FONT><FONT size=3>

<P align=justify>Die Ersch&uuml;tterung der Gem&uuml;ther </P></FONT><B><FONT

face="Fraktur BT">

<P align=center><A name=_Toc428895995>6. Die Aerzte</A></P></B></FONT><FONT

size=3>

<P align=justify>Wenden wir uns jetzt zu der &auml;rztlichen

Einsicht,</P></FONT><FONT face=Arial size=2>

<P align=center><A name=_Toc428895996>[87] </FONT><B><I><FONT

size=4>Anhang</A></P></B></I></FONT><FONT face=Arial size=2>

<P align=center><A name=_Toc428895997>[88] </FONT><B>I<FONT face="Fraktur BT">.

Das alte Geisslerlied</A></P></B></FONT>

<TABLE border=0 cellPadding=4 cellSpacing=0 width=638>

<TBODY>

<TR>

<TD colSpan=2 vAlign=top width=49%><B><FONT size=3>

<P align=center>Nach Massmann's Ausgabe von Herrn Professor Lachmann

mit der Handschrift verglichen.</B></FONT></P></TD>

<TD colSpan=2 vAlign=top width=51%><B><FONT size=3>

<P align=center>Uebersetzung</B></FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=6%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=43%><FONT size=3>

<P align=justify>Sve siner sele wille pleghen</P>

<P align=justify>De sal gelden unde weder geuen</P>

<P align=justify>So wert siner sele raed</P>

<P align=justify>Des help uns leue herre goed</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=6%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=45%><FONT size=3>

<P align=justify>Wer seiner Sele will pflegen,</P>

<P align=justify>Der soll gelten und wiedergeben:</P>

<P align=justify>So wird seiner Sele Rath.</P>

<P align=justify>Dess hilf uns, lieber Herre gut!</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=6%><FONT size=3>

<P align=right>5</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=43%><FONT size=3>

<P align=justify>Nu tredet here we bossen wille</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=6%><FONT size=3>

<P align=right>5</FONT></P></TD>

<TD vAlign=top width=45%><FONT size=3>

<P align=justify>Nu trete her, wer b&uuml;ssen will:</FONT></P></TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=6%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=43%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=6%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=45%>&nbsp;</TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=6%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=43%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=6%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=45%>&nbsp;</TD></TR>

<TR>

<TD vAlign=top width=6%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=43%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=6%>&nbsp;</TD>

<TD vAlign=top width=45%>&nbsp;</TD></TR></TBODY></TABLE><FONT size=3>

<P align=justify></P></FONT><FONT face=Arial size=2>

<P align=center><A name=_Toc428895998>[96] </FONT><B>II<FONT face="Fraktur BT">.

Verh&ouml;re der Brunnenvergiftung beschuldigter Juden </A></P>

<DIR>

<DIR></FONT><FONT size=3>

<P align=justify>Castellani Chillionis Antwort-Schreiben ahn die Statt

Strassburg</B>, sampt einer Copia der Inquisition und Confession verschiedener

Juden in castro Chillionis detentorum, super facto tossici et veneni, des

Vergisstens halben, de Anno 1348.</P></DIR></DIR>

<P align=justify>Denen Edlen und F&uuml;rsichtigen Schultheissen,

</P></FONT></DIV></BODY></HTML>

</x-html>