Immanuel Velikovsky



Immanuel Velikovsky wurde in Witebsk, Rußland, in einer wohlwollenden jüdischen Familie geboren. Sein Vater - jüdischer Traditionalist und Zionist - machte eine steile Karriere und wurde mit der Zeit einer der bekanntesten Handelsleute in Moskau. Wegen seiner Abstammung war Immanuel gezwungen, zu Hause zu lernen: nur am Ende der schulischen Ausbildung wurde der junge Jude, der zu diesem Zeitpunkt schon fließend Französisch und Deutsch sprach, Hebräisch und klassische Sprachen beherrschte und sich sehr gut in der Geschichte und Bibel auskannte zum Schüler des Kaiserlichen Gymnasiums in Moskau, welches er mit einer Goldmedallie absolvierte.

Aber das reichte immer noch nicht aus, um im antisemitischen russischen Reich an der Universität Moskau studieren zu dürfen. Darum reiste er zuerst nach Frankreich und Palästina, um danach in Edingbourgh, Schottland mit dem Studium der Naturwissenschaften anzufangen. 1914 kehrte er im Sommer nach Moskau zurück, und - dank dem Beginn des ersten Weltkriegs - die Möglichkeit bekam, endlich ein Studium in Moskau zu starten. Man brauchte Militärärzte und darum dürften nun auch die jungen Juden der sie nicht liebenden Heimat als Mediziener dienen.

Nach der Oktoberrevolution wurde das Leben in Moskau für die Familie Velikovsky aüßerst gefährlich und sie musste in die Ukraine fliehen. Auch dort war die Situation vor Zeit zu Zeit sehr unangenehm: die jüdischen Pogrome folgten einer nach dem anderen. Einmal wurde der junge und verdächtig intelligent aussehende Immanuel von Kosacken verhaftet und als kommunistische Spion zum Tode verurteilt. Wie durch ein Wunder wirkten auf dem Weg zum Eksekutionsort die ruhigen Erzählungen von Immanuel auf den für die Erschießung ausgewählten jungen Kosacken so verunsichernd, dass er den Gefangenen fliehen ließ.

1921 kehrte Immanuel nach Moskau zurück und sogar bekam die Möglichkeit, sein Studium abzuschließen. Und noch ein Glück war der Familie geschert: die Eltern bekamen das Erlaubnis, nach Palästina auszureisen. Immanuel folgte den Eltern, blieb aber zuerst in Berlin (sein Bruder blieb für immer in Russland). Er arbeitete als Assistenzarzt in Berlin und heiratete bald dort. 1923 folgte die junge Familie endlich seinen Eltern nach Palästina, wo er eine psychoanalytische Arztpraxis eröffnete

In Berlin gründete er mit Vaters finanziellen Unterstützung die jüdische wissenschaftliche Zeitschrift "Scripta Universitatis", die später zum Sammelbecken zionistisch gesinnter Wissenschaftler wurde, die die Kernmannschaft der künftigen Hebrew University in Jerusalem bildeten. Die Sektion für Physik leitete in der Zeitschrift Albert Einstein, mit welchem I. Velikovsky sein ganzes Leben im engen Kontakt blieb und mit dem er später auch in der gleichen amerikanischen Stadt lebte. Dem jungen Immanuel wurde vorgeschlagen, zum Rektor dieser neuen Universität zu werden. Er hat den schmeichelhaften Vorschlag mit der Begründung ausgeschlagen, der erste Rektor soll ein berühmter Wissenschaftelr und nicht ein junger Arzt sein.

Inzwischen bekannter Psychoanalytiker geworden, stand I. Velikovsky mit S. Freud und weiteren führenden Experten dieses Gebiets im interessanten Briefwechsel. Neben der reinen Beschäftigung mit der Psychoanalyse erforschte er verschiedene geschichtliche Epochen im Zusammenhang mit seinem Interesse am Phänomen des kollektiven Vergessens. Um sein fast fertiges Buch über Freud abzuschließen, fuhr er mit der ganzen Familie (Frau und zwei Töchter) 1939 nach New York. Neue interessante Buchprojekte verhinderte das Abschließen dieses ersten Buchs (einige Teile davon werden in einer anderen Form in seinen späteren Büchern auftauchen) und - zusammen mit dem ausgebrochenen zweiten Weltkrieg - die Rückreise nach Palästine. Später zog die Familie nach Princeton, wo auch schon Albert Einstein lebte.

Sein Interesse galt nun dem Exodus. In der entsprechenden Beschreibung in Bibel erkannte I. Velikovsky die detaillierte Schilderung einer Kataklysmenserie. Weil die altägyptische Quellen über diese Katastrophen nicht berichten, dachte er zuerst an noch einen Beweis für das kollektive Vergessen. Dann wurde er doch auf die ägyptischen Schriften aufmerksam gemacht, die praktisch die gleiche Reihenfoge der katastrophalen Ereignisse schilderten, aber in die um ca. 550 Jahre frühere Zeit traditionell datiert wurden. Für ihm stand nun die Aufgabe zu klären, wer Recht hatte: die Chronologen oder die alten Schriftsteller, die zwei Katastrophen so detailliert präsentierten, dass nur eine Folgerung möglich blieb: es handelt sich um die gleiche grandiose Katastrophe und folglich muss die Chronologie korrigiert werden.

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Aus diesen und weiteren naturwissenschaftlichen Überlegungen heraus folgerte er, daß die Erde und ihre Bewohner nur ein bis zwei Jahrtausende vor Christus gewaltige kosmische Katastrophen erlebt hatten bzw. ihnen zum Opfer gefallen waren. Als Ursache dieser Katastrophen sah er den wiederholten nahen Vorbeiflug des Planeten Venus an der Erde an, wobei sich auch der Mond vom Erdkörper abgelöst haben soll. Velikovsky veröffentlichte seine Hypothesen u.a. in den Büchern "Welten im Zusammenstoß" (Worlds in Collision) im Jahr 1950 und "Erde im Aufruhr" (Earth in Upheavel) im Jahr 1956.

Immanuel Velikovsky ist bis heute eine in der Wissenschaft höchst umstrittene Persönlichkeit. Dieser geniale Geist wurde unzählige Male zum Scharlatanen erklärt, obwohl kaum ein anderer Wissenschaftler des 20. Jh. so viele wichtige wissenschaftliche Voraussagen machte, die einerseits der verbreiteten Meinung krass widersprachen, von anderer aber durch die weitere Entwicklung der Wissenschaft glänzend bestätigt wurden. Noch vor kurzem, ignorierten die führenden Lexikone der Welt seinen Namen. Darum war für mich ein Vergnügen herauszufinden, daß die CD-Version von BRITANICA nun obwohl sehr zurückhaltend und kurz, aber trotzdem über Velikovsky berichtet. Hier diese wenigen Zeilen:

"Velikovsky, Immanuel (b. June 10, 1895, Vitebsk, Russia [now in Belarus]--d. Nov. 17, 1979, Princeton, N.J., U.S.), American writer, proponent of controversial theories of cosmogony and history. Educated at the universities in Edinburgh, Kharkov, and Moscow (M.D., 1921), he practiced medicine in Palestine and then studied psychology in Zürich and (from 1933) Vienna. After examining legends of the ancient Jews and other eastern Mediterranean peoples, he concluded that some tales described actual occurrences and were not mere myths or allegories. In the United States from 1939, he expanded the geographic scope of his study of ancient documents. In his first book, Worlds in Collision (1950), he hypothesized that in historical times an electromagnetic derangement of the solar system caused Venus and Mars to approach the Earth closely, disturbing its rotation, axis inclination, and magnetic field. His later works are Ages in Chaos (1952), revising the chronology of the pre-Christian Middle East; Earth in Upheaval (1955), adducing geologic and paleontological evidence supporting his belief that catastrophes have overwhelmed the Earth; Oedipus and Akhnaton (1960), linking Egyptian history with Greek mythology; and Peoples of the Sea (1977), identifying Ramses III with Nectanebo, pharaohs otherwise dated 800 years apart. The animosity of the American scientific community toward Worlds in Collision caused the original publisher, threatened with a boycott of its scientific-textbook division, to turn Velikovsky's work over to a firm not involved in textbook publishing."

Für die deutsche Chronologiekritik hat die Katastrophentheorie von I. Velikovsky und seine Überlegungen zur Kürzung der Chronologie eine sehr wichtige Rolle gespielt. Wir haben diese Rolle im Zusammenhang mit unserer Beschreibung der Anfänge der entsprehenden Aktivitäten im deutschsprachigen Raum (s. GRMNG, Christoph Marx, Gunnar Heinsohn und andere Autorenseiten) schon erwähnt.

Literatur

Informationen zu Velikosvky finden sich in: "Warum die Erde bebt" von Walter Sullivan, Fischer Taschenbuch, Band 6804,1980 (s. auch Weltuntergang: Velikovsky's Lehre und der heutige Neokatastrophismus)

Mit der ägyptischen Chronologie und Velikovsky beschäftigt sich Th. Schirrmacher (1992): "Das Verhältnis der ägyptischen zur israelischen Chronologie"; factum (Mai) S. 40-46 und (Juni) S. 33-41. Der zweite Teil enthält eine ausführliche Literaturübersicht.

Seine Bücher in Deutsch:

Immanuel Velikovsky, Welten im Zusammenstoß. Kosmische Katastrophen schufen unsere Zivilisation. / Taschenbuch / Erschienen 1994

Erde im Aufruhr
Seine Bücher und Bücher zu ihm in Englisch und Russisch:

1. Immanuel Velikovsky, Worlds in Collision, McMilan, N.Y., 1950.
2. Immanuel Velikovsky, Earth in Upheavel, Doubleday Co, N.Y., 1955.
3. Immanuel Velikovsky, Ages in Chaos, Doubleday Co, N.Y., 1952.
4. Immanuel Velikovsky, 0edipus and Achnaton, Doubleday Co, N.Y., 1960.
5. Immanuel Velikovsky, People of Sea, Doubleday Co, N.Y., 1977.
6. Immanuel Velikovsky, Ramses II and bis Time, Sidqwick Jackson, Ltd, Gr. Br., 1978.
7. Immanuel Velikovsky, Mankind in Amnesia, Sidqwick Jackson, Ltd, Gr. Br., 1982.
8. Ion Degen, Immanuel Velikovsky, Erzählung über einen wundervollen Menschen, Fenix, 1997, (Die einzige detaillierte Biographie des Genies in der Welt).
9. Immanuel Velikovsky, Starqasers and Gravediggers, Morrow-and Co, N.Y., 1983.
10. Ian Tresman (Editor/Compiler), Catastrophism! Man, Myth and Mayhem in Ancient History ans Scienes, A CD-Rom, Cnowledge Computing, Sept. 1999.
11. Velikovsky Reconsidered, Doubleday Co, N.Y., 1976.
11. Alfred de Grazia; Ralph E. Juergens, Livio C. Stecchini, Immanuel Velikovsky, The Velikovsky Affair, Sidgwick and Jacson Ltd., Prinston, N. J., 1966.
12. C. J. Ransom, The Age of Velikovsky, Glasboro, New Jersey, 1976.
13. Shane Mage, Velikovsky and his Critics, Cornelius Press, Grand Haven, Michigan, 1978.
14. Scientists Confront Velikovsky, W. W. Norton Co, N.Y.-London, 1979.

Copyright Dr. Eugen Gabowitsch