Die Verderbnis des Besten ist ganz schlecht
Im Kreis der Wissenschafter und Interessierten, die sich mit der älteren Geschichte, der Vorgeschichte, der Menschheitsentwicklung, Erdgeschichte und dem Problem der Zeitstellungen befassen, ist der Name Illig wenigstens im deutschsprachigen Raum - bekannt; und mit den Ergebnissen jenes Kreises sicher schon mancher konfrontiert worden. Leider ist jene Gruppe und ihr Haupt heute ein Aergernis erster Güte geworden. Da ist es nötig, einem breiteren Publikum dazulegen, warum das so gekommen ist. Eine gewisse Publizität hat Heribert Illig und seiner These über Karl dem Grossen zu einem Nimbus verholfen, dass darob die berechtigte Kritik ausblieb. Und heute ist der Fall sogar so, dass Erkenntnisfortschritte nicht mit, sondern nur in Opposition gegen diesen Mann möglich sind. Ein anfänglich brauchbarer Denkansatz ist aus verschiedenen Gründen ganz schlecht geworden.
Vorzeit, Frühzeit, Gegenwart
In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts machten sich erstmals ein paar Autoren bemerkbar, die neue Denkansätze in die Vorgeschichte und alte Geschichte hineinbrachten. Zuerst erschien von Gunnar Heinsohn Die Sumerer gab es nicht (1988), eine Widerlegung der Behauptung der Altorientalistik von einer uralten sumerischen Kultur, die in Tat und Wahrheit als die chaldäische einer viel jüngeren Epoche anzusehen ist. Im gleichen Jahr gab Heribert Illig das Buch Die veraltete Vorzeit heraus, in welcher er für alle alten Kulturen, von Babylonien über die Hethiter bis zu den alteuropäischen Kulturen umfangreiche Zeitkürzungen postulierte und deren Entfaltung auf wenige Jahrhunderte beschränken wollte. - Es ging weiter mit Wann lebten die Pharaonen? (1990), verfasst von Gunnar Heinsohn und Heribert Illig, einer Neubetrachtung der überlangen Geschichte des alten Aegyptens aufgrund archäologischer und technologischer Befunde. Das Fazit lautete, dass die Geschichte Aegyptens und des alten Orients radikal verkürzt werden müsse. 1991 wagte sich Heinsohn auch an die Urgeschichte heran in seiner Schrift Wie alt ist das Menschengeschlecht? Darin plädiert der Autor aufgrund einer Neubeurteilung der Stratigraphie dafür, die Entwicklung des Homo Sapiens von der Altsteinzeit bis zu den Hochkulturen auf wenige Jahrtausende zusammenzustreichen.
Alles dies waren kühne und fruchtbare Denksätze, die halfen, ein seit Jahrzehnten, in grossen Teilen schon seit dem 19. Jahrhundert gepflegtes orthodoxes Bild der Vorzeit aufzureissen und die Fakten neu zu betrachten. Da war es nur logisch, dass für die Bemühungen dieses langsam wachsenden Kreises von unorthodoxen, freien Forschern auch eine neue Zeitschrift geschaffen wurde. Zuerst 1989 erschienen unter dem Titel Vorzeit, Frühzeit, Gegenwart Beiträge von historischen, archäologischen und kulturgeschichtlichen Systemkritikern.
Ihr Herausgeber war von Anfang an Heribert Illig. Die anfänglich dürftige Aufmachung des Bulletins verbesserte sich zusehends und erreichte mitte der neunziger Jahre ihr heutiges Aussehen und damals zugleich den noch heute bestehenden Titel Zeitensprünge. Dass die Zeitschrift vom Inhalt her immer eintöniger wurde, die ursprünglichen revolutionären Denkansätze der Anfangszeit zugunsten einer reaktionären und sterilen Bewahrungstendenz aufgegeben wurden, hängt eng mit der persönlichen Entwicklung des Herausgebers zusammen.
Illig selbst hat sein Werk zugrundegerichtet. Wie es dazu kam, soll hier skizziert werden.
Von Zweifeln an Karl dem Grossen zur "grössten Fälschung der Geschichte"
In fast logischer Folge der Erkenntnis, dass die Vorgeschichte der Menschheit und die Geschichte der alten Kulturen in Tat und Wahrheit viel kürzer ist als von der offiziellen Wissenschaft behauptet, kamen Illig seit Beginn der neunziger Jahre auch Zweifel an der christlichen Zeitrechnung. Dass wir auf volle zweitausend Jahre Christentum zurückblicken könnten und alle Epochen dieses grossen Zeitraumes gleichermassen plausibel durch Quellen und Artefakte belegbar seien, schien plötzlich fragwürdig. Ein fast genialer Gedanke! Illig wählte als ersten Ansatzpunkt der Kritik die christliche Zeitrechnung und glaubte errechnen zu können, dass die Gregorianische Kalenderreform von 1582 zu kurz gegriffen habe: der Ostertermin und die astronomische Länge des Jahres stimme seit dieser Zeit, aber um den Kalender Julius Caesars von 45 v. Christus wiederherzustellen, wäre es nötig gewesen, nicht zehn, sondern fast dreizehn Tage ausfallen zu lassen. Und jeder Tag unterlassenen Ausfalls stehe nach einer komplizierten Berechnung für 128 fehlende Jahre. Somit ergäbe sich, dass im christlichen Kalender zwischen 250 und 350 Jahre zuviel geführt würden. Also dass wir heute nicht im Jahr 2000, sondern etwa im Jahr 1700 lebten.
Wenn aber etwa dreihundert Jahre zuviel gezählt würden, so müssten in der Kulturgeschichte zwischen der Geburt Christi und 1582 irgendwo dreihundert schlecht belegbare oder erfundene Jahrhunderte zu finden sein analog zu den Dark Ages, welche die alte Geschichte zwischen einzelnen Epochen einzuschieben gezwungen ist.
Illig nun suchte die Geschichte ab und wurde fündig: In der europäischen Geschichte gilt das Frühmittelalter tatsächlich als eine sehr dunkle und mangelhaft belegte Epoche, also müssten dort die überzähligen Jahrhunderte eingeschoben sein. Im Laufe der Ueberlegungen formte Illig daraus eine konkrete These: die europäische Chronologie und Geschichte zwischen 600 und 900, kulturgeschichtlich also die Merowinger- und Karolingerzeit, seien inexistent und zu streichen. Und in diesem erfundenen Zeitraum müsse auch die grosse Lichtgestalt, der Ueberkaiser Karl der Grosse, aus dem Geschichtsbuch gestrichen werden.
Illig veröffentlichte seine neue These in zwei Büchern seines hauseigenen Mantis Verlages (Hat Karl der Grosse je gelebt? Karl der Fiktive), doch ein lautes Echo blieb vorerst aus. Dies änderte sich erst 1996 als der Econ-Verlag das Manuskript übernahm und unter dem Titel Das erfundene Mittelalter. Die grösste Zeitfälschung der Geschichte neu herausgab. Das Werk erzielte bis 1999 allein in seiner Hardcover-Ausgabe eine Auflage von etwa 15'000 Exemplaren, was sehr viel bedeutet für ein historisches Buch. Der Verlag liess darauf eine Taschenbuchausgabe folgen und gestattete dem Autor, ebenfalls in Form eines Taschenbuches, ein Fortsetzungswerk unter dem Titel Wer hat an der Uhr gedreht? (1999) zu veröffentlichen.
Ebenso wichtig wie die verkaufte Auflage war, dass sich nun eine halböffentliche Diskussion um Illigs Karls-These entwickelte: Die etablierte Geschichtswissenschaft konnte dass Buch nicht mehr länger ignorieren und sah sich gezwungen - wenn auch häufig zähneknirschend und mit verhaltener oder offener Häme - Stellung zu nehmen. Für Illig gab es und gibt es immer noch Auftritte im Rundfunk und Fernsehen und eine dauernde Erwähnung und Kommentierung in der Presse Dinge, die der Autor in den einzelnen Nummern seiner Zeitensprünge vollständig auffährt und jeweils in einem Artikel kommentiert
Illig hat mit seinem Karls-Buch unzweifelhaft publizistischen Erfolg errungen. Aber wie steht es mit seiner These von Karl dem Grossen und der "grössten Fälschung der Geschichte" wirklich? Um das Ergebnis vorwegzunehmen, so ist es gerade seine Beschäftigung mit diesen beiden Themen, die heute eine Ablehnung Illigs und seiner Behauptungen erfordern.
Die Probleme der älteren Geschichte
Bevor man sich den konkreten Punkten zuwendet, die zwingen, Illigs Thesen abzulehnen, muss darauf hingewiesen werden, dass das Feld, in welchem die Kritiker der herrschenden Geschichtsauffassung und deren Chronologie tätig sind, tatsächlich sehr schwer zu bearbeiten ist. Der Schreiber möchte das mit dem Vergleich ausdrücken, dass es leichter ist, Atomphysik zu studieren und zu verstehen, als die Probleme der älteren Geschichte und der Vorgeschichte zu erkennen.
Allgemein muss man wissen, dass es fast unmöglich ist, vor einer gewissen Zeit hinter uns klare Aussagen zu machen. Es gibt da unüberwindliche Probleme mit der Verlässlichkeit der Quellen, der Plausibilität der Inhalte, den Zweifeln an der Ueberlieferung und last but not least an den Zeitstellungen. Wie soll man ein geschichtliches Ereignis in einer fernen Zeit verifizieren, wie soll man bloss die Existenz und die Dauer einer weit zurückliegenden Kulturepoche begründen, wenn alles fragwürdig ist: Quellen, Taditionswege, Chronologie. Gab es überhaupt ein klassisches Altertum, oder ist das nur die Erfindung von Schöngeistern des 18. und Professoren des 19. Jahrhunderts? Ist Alexander der Grosse nicht ebenso eine Legendengestalt wie Julius Caesar oder Otto der Grosse oder eben Karl der Grosse? Sind die Epocheneinteilungen wie Altertum oder Mittelalter überhaupt gerechtfertigt oder Fiktionen der neueren Geschichtsschreibung?
Je mehr man sich mit unabhängigem Geiste und kritischem Verstand in die Ueberlieferung der alten Zeiten vertieft, desto mehr kommen Zweifel an der älteren Geschichte. Vor dem Spätmittelalter scheint es nur Märchen, Sagen und Legenden zu geben, und die wahre Geschichte ist nur zögerlich aus dem Wust erdichteter Ueberlieferung zu gewinnen.
Illigs Karlsthese als untauglicher Versuch der Geschichtskorrektur
Das bestehende Gerüst der Ereignisgeschichte, Epocheneinteilungen und dazugehöriger, teilweise überpräziser Chronologie ist heute unmöglich geworden und muss kritisch hinterfragt werden. Eine riesige Forschungsaufgabe wartet, und jeder Beitrag zu einer Neubetrachtung ist willkommen.
Illigs These von Karl dem Grossen als Geschichtserfindung und den angeblichen drei überzähligen Jahrhunderten aber ist ein untauglicher Ansatz zur Geschichtskorrektur. Grundsätzlich belässt Illig das ganze Altertum und das ganze Mittelalter so wie es in den Geschichtsbüchern steht, mit allen Inhalten und Zeitstellungen. Nach ihm ist die ganze Geschichte in Ordnung, ausgenommen drei Jahrhunderte im Frühmittelalter. Nach der konventionellen Geschichtswissenschaft muss man an volle zweitausend Jahre christliche Zeitrechnung mit allen Ereignissen und Datierungen glauben, nach Illig an tausendsiebenhundert Jahre. Die angebliche Merowinger- und Karolingerzeit mit Kaiser Karl dem Grossen müsse man in das Reich der Legende verbannen; aber vor 600 und nach 900 nach Christus seien alle Epochen, Herrscher und Ereignisse wirklich. Wer nur etwas überlegt, erkennt sofort die Unmöglichkeit dieses Denkansatzes: Man kann nicht willkürlich eine einzige Aera mit all ihren Zeitstellungen und Inhalten für gefälscht hinstellen. Entweder ist die ganze alte Geschichte erfunden oder nichts.
In den Anfängen hätte man Illig mit seiner These noch eine gewisse Berechtigung zugestehen können: Wenn das Problem der fingierten älteren Geschichte so vielfältig ist, dann war es tatsächlich klug, sich am Anfang beispielhaft auf eine Epoche und einen Herrscher zu konzentrieren: Ihr Herren Professoren, Mediävisten, Diplomatiker. Paläographen, Kunsthistoriker, Philologen; nehmt einmal Stellung zu der desolaten Quellenlage der Merowinger- und Karolingerzeit; überlegt euch, von wie wenigen der angeblich fünfhundert karolingischen Grossbauten noch sichere Reste nachweisbar sind; geht mal die Artefakte jener Epochen durch und prüft, welche davon tatsächlich jenen Zeiten zugeschrieben werden können!
Immer mehr aber wurde der Autor so von seiner These eingenommen, dass er darob jede Selbstkritik verlor und meinte, er und nur er habe die historische Erleuchtung in das Mittelalter gebracht. Spätestens als das Buch bei Econ herauskam, waren Illigs Behauptungen reiner Stumpfsinn geworden. Oder sollte jemand wirklich glauben, man könne aus einer grauen Vorzeit vor über tausend Jahren exakt 297 (!) Jahre wegnehmen und eine Sagengestalt wie Julius Caesar belehren, dass das angeblich von ihm geschaffene Sonnenjahr 26 Minuten zu lang sei?
Illigs These über Karl den Grossen und die christliche Zeitrechnung ist weniger als zehn Jahre nach ihrer Entstehung so haltlos geworden, dass es sich erübrigt, ausführlicher darauf einzugehen; in der heutigen wissenschaftlichen Diskussion ergibt sie nur noch eine Fussnote.
Weshalb denn die Publizität um Karl den Fiktiven und der noch immer existierende Zeitensprünge-Kreis? Nun, das Problem der älteren Geschichte und der Zeitstellungen ist, wie schon gesagt, sehr schwierig und wird auch heute erst von wenigen in ihrer ganzen Dimension erkannt. So kommt es eben, dass auch eine untaugliche Kritik, wie diejenige von Illig, bei günstigen Winden gross herauskommt. Aber publizistischer Erfolg ist keine Gütemarke für wissenschaftlichen Wert, sonst müsste schon heute manch anderer absurder Denkentwurf für die Vorzeit übernommen werden.
Unsere Auffassungen von der Vorgeschichte müssen geändert werden, weil sich die offiziellen Auffassungen heute als obsolet erwiesen haben und weil der wissenschaftliche Impetus, mit dem von etlichen Forschern das Thema Geschichtskorrektur betrieben wird, nicht mehr zu unterdrücken ist. Aber diese Bemühungen müssen heute ohne und gegen Illig vorangetrieben werden.
Illig: Opfer oder Täter?
Ein Vermittler würde hier einwenden, dass jeder mal einen Holzweg beschreitet, dass aber die Kräfte der Besserung in jedem wirken. Aber wer das bei Illig und seinem Kreis annimmt, kennt die Begleitumstände nicht, welche das Unternehmen der Zeitensprünge heute so ärgerlich macht.
Illig weiss im Grunde selber, dass seine Karls-These nicht mehr trägt. Weshalb hält er dennoch unentwegt an seinen Behauptungen fest? Der publizistische Erfolg mag einen Teil erklären, das Fähnlein von ein paar aufrechten, linientreuen Mitstreitern in seinem Kreis einen anderen Teil.
Entscheidend scheint jedoch zu sein, dass Illig bisher keinen kompetenten Kritiker gefunden hat. Die offiziellen Historiker sind zu einer richtigen Kritik nicht berufen, denn sie verneinen die Tatsache, dass es in der älteren Geschichte ein Problem der Inhalte und der Zeitstellungen gibt. Und der Kreis der "Geschichtsrevisionisten" wenn man diesen unpassenden Ausdruck einmal brauchen will ist nach Orten und nach Interessen so disparat, dass sich noch keine klar definiert Anti-Illig-Front gebildet hat.
Das starrsinnige Festhalten von Illig an seinen Behauptungen über Karl dem Grossen hat ziemlich sicher auch mit negativen Charakterentwicklungen des Autors zu tun. Dieser Historiker beteuert seiner Umgebung ständig, wie sehr er ungerecht beurteilt, ignoriert und diffamiert werde. Aber betrachtet man die Dinge wie sie sind, so ergibt sich ein anderes Bild. Illig kritisiert viel und zunehmend zuviel. Und er wendet sich seit mehreren Jahren gegen jeden Forscher, der unterschiedliche Ansichten über die Geschichte und die Zeitstellungen der letzten zweitausend Jahre vertritt; er fällt über jeden her, der es wagt, Zweifel an der Richtigkeit seiner These von dreihundert Jahren Kürzung der christlichen Zeitrechnung zu äussern.
Hier muss man aufs schärfste einschreiten: Es geht nicht an, dass sich Illig ständig als Opfer sieht, den man wissenschaftlich, beruflich oder sogar privat fertig machen wolle. In Tat und Wahrheit ist er nämlich mehr Täter: er will alle zwingen, seiner obsoleten Karls-These zu folgen. Ein unmögliches und letztlich selbstmörderisches Unterfangen, würde man meinen. Aber nichtsdestoweniger ist es so: Mit fast manischer Konsequenz hat es Illig fertiggebracht, alle Autoren und Mitstreiter, die andere Ansichten vorbrachten, zu vertreiben.
Ein absoluter Skandal war etwa der 1998 erfolgte Ausschluss von Uwe Topper gewesen, der in Zeitensprünge mehrere bedeutsame Beiträge veröffentlicht hatte. In einer vor Aerger strotzenden Abrechnung unter dem Titel Tropfen, Fass und Ueberlauf (Zeitensprünge 4/98) hat sich Illig in seinem Bulletin von selbst an den Schandpfahl gestellt.
Da muss auch der verhängnisvolle Einfluss von seinem Contributing Editor (offizielle Bezeichnung im Impressum der Zeitensprünge) Gunnar Heinsohn erwähnt werden, Professor an der einschlägig bekannten Universität Bremen und dort Leiter eines ominösen Instituts für Xenophobie- und Genozidforschung.
Weil Illig keine Kritik an seiner These und seiner Politik zulässt,hat er sich damit in eine ausweglose Lage manövriert. Aus anfänglichem neuen Denken ist nur noch Dogmatik und Orthodoxie übriggeblieben. Eine Durchsicht der letzten Nummern der Zeitensprünge bestätigt dies. Die Zeitschrift, die sich im Untertitel immer noch interdisziplinäres Bulletin nennt, ist sehr langweilig geworden. Von einer offenen Auseinandersetzung mit geschichtlichen Themen und Thesen ist keine Spur mehr zu finden. Das Forum dient hauptsächlich nur noch dazu, Illigs Karlistik und seine Selbstdarstellung aufzunehmen. Jedesmal also erfährt man von "Aktualitäten der Phantomzeitdebatte"; was im Klartext heisst, dass irgendein Kritiker an Illigs Karls-These unrecht, er aber recht habe. Dann vernimmt man etwa so sensationelle Erkenntnisse wie die, dass es keine Münzen von Karl dem Grossen gäbe, dass in Niederbayern und in Thüringen dreihundert Jahre Frühmittelalter, und in Palästina Schichten zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert nach Christus fehlten. In einem Beitrag steht sogar allen Ernstes, dass in Java (!) dreihundert Jahre Geschichte nicht belegt sind. Ausführlich wird in einem Heft auch über ostafrikanische Buntbarschen-Populationen gesprochen wobei nicht klar ist, was denn solche exotischen Fische und Weltgegenden mit europäischer Geschichte zu tun haben, ausser dass sie natürlich Karl den Grossen nicht stören.
Es ist im Grunde betrüblich, dass man sich heute vehement gegen einen Mann wenden muss, der am Anfang in einem gewissen Sinne eine führende Kraft der Geschichts- und Chronologierevision war. Aber Illig hat das so gewollt. Die anderen stellen nur fest und reagieren entsprechend.
Illig kann sich nur halten, indem er sich zusehends abschottet. Das zeigt auch folgender Umstand: Die Zeitensprünge veranstalten jedes Jahr eine Tagung. Aber seit 1999 wird dazu nicht mehr im Heft selbst, sondern von dem Duo Illig-Heinsohn persönlich eingeladen. Der Zweck der neuen Massnahme ist offenkundig: Man will damit missliebige und in Ungnade gefallene Leute aus dem Kreis aussperren. Was für ein Armutszeugnis für einen Mann und eine Gruppe, die meint, den historischen Stein des Weisen gefunden zu haben!
Illig, seine Thesen und sein Zeitensprünge-Kreis sind heute unbedingt abzulehnen.
Dr. Christoph Pfister; 7/2000