Wird nun der Geschichtssalon zu Karlsruhe obdachlos?

Eugen Gabowitsch

 

Nach 20 erfolgreichen KGS-Sitzungen im Saal der evangelischen Studierendengemeinde (ESG) Karlsruhe hat uns die Sekretärin von ESG Frau Henne Göddemeier eine Kündigung, ohne eine Begründung für die Kündigung anzugeben geschickt. Ich vermutete dabei einen persönlichen Racheakt, weil wir – per Zufall - wegen einer kaputten Glühbirne des Folienprojektors eine zusätzliche Arbeit für die arme Dame verursacht haben. Glühbirnen haben eben eine begrenzte Arbeitsressource ...

Von mir mit großer Mühe erzwungene Unterredung in der ESG, an welcher nur ein Mitglied des studentischen leitenden Ausschusses teilnahm, zeigte, dass keine Gründe der Kündigung außer allgemeiner Intoleranz, Xenofobie und Dogmatismus genannt werden konnten. Insbesondere Frau Göddemeier betonte, dass wir fremd seien.

Ich war von diesem mittelalterlichen Denken entsetzt und fühlte mich an meine Konflikte mit KGB in Moskau erinnert. Auch KGB nannte nie Gründe für ihr Handeln. Darum schickte ich einen sieben Seiten langen Protestbrief an alle Mitglieder des leitenden Ausschusses von ESG. Keiner antwortete mir!!! Auch das war typisch in der Zeit der Sowjetdiktatur: Angst vom geschriebenen Wort, von der Öffentlichkeit, vor jeglicher Diskussion. Ende August kam die zweite Kündigung mit nur einer Unterschrift: von Frau Göddemeier.

Sofort verlangte ich eine Kopie des Protokolls der Sitzung des leitenden studentischen Ausschusses, im Namen welches die Kündigung ausgesprochen wurde. Ohne des Protokolls und der Namen der Beteiligten Mitglieder des Ausschusses kann ich die Kündigung nicht annehmen, schrieb ich in meinem Brief. Ich bekam keine Antwort auf diese Aufforderung.

Außerdem schickte ich einen Protestbrief an Herrn Dr. Fischer, den badischen Landesbischof der Evangelischen Kirche, und bekam eine kurze Antwort. Dr. Fischer schreibt, dass er nichts von der Kündigung wußte und dass Herr Dekan Vogel sich um den Fall kümmern wird und sich bei mir melden wird.

Bis Ende September bekam ich keinen Lebenszeichen von Dekan Vogel: aussitzen und verschweigen ist die Devise aller nur nach Lippenbekennung "demokratischen" Organisationen. Auch am 1. Oktober 2001 hatte ich keine Nachricht vom Dekan Vogel erhalten. Damit betrachtete ich die Kündigung als unwirksam und hielt uns mindestens für die nächsten drei Monate für Mieter des Saals in der Gartenstr. 29-A, der Residenz von ESG. Ich vermutete, dass am Ende August keine Studenten in Karlsruhe waren und das Frau Göddemeier den Beschluß vorgetäuscht hatte (Ich überlegte sogar, ob eine Anzeige wegen des dringenden Verdachts der Urkundenfälschung vorbereitet werden sollte).

In dieser Situation lud ich alle zu der 25. KGS-Sitzung in der Gartenstraße 29-A am Freitag, den 5.10.01 ein und kündigte an, dass ich einen Vortrag zum Thema "Gutenberg und die frühen jüdischen Buchdrucker" halten und über den neusten Stand des Konfliktes mit Frau Göddemeier berichten werde. Außerdem sollten im Informationsteil des KGS die folgenden Themen behandelt werden:

In der Anlage zu dieser Einladung wurden weitere sieben KGS-Sitzungen (an verschiedenen Orten) angekündigt. Also ist KGS keinesfalls obdachlos in der Zukunft: bei nicht religiös geprägten studentischen Vereinen wurden uns keine ideologischen Vorbedingungen gestellt. Übrigens, den Vortrag über die frühen jüdischen Buchdrucker habe ich am 7. Oktober in einem Karlsruher russischen Klub in Russisch wiederholt.

Wie entwickelten sich die Ereignisse weiter? Am 4. Oktober um ca. 13:30, nachdem die Einladung zur 25. Sitzung des KGS schon längst per Email verschickt wurde, rief mich Dekan Vogel an. Er hat von einem der Informanten eine Kopie meiner Einladung erhalten und hat mir mit juristischen Konsequenzen gedroht, sollten wir versuchen, in der ESG zu tagen. Dabei versicherte er, dass die ganze Affäre mit dem Rausschmiss des KGS nicht auf die Initiative von Frau Göddemeier zurückzuführen sei.

Ich betrachte sein Verhalten als eine Provokation, wollte aber nicht auf die Stufe der scheinheiligen Würger der Freiheit des Wortes heruntersteigen. Ich habe die lokale Presse über den Konflikt informiert und werde vermutlich eine Presseerklärung abgeben. Jeder darf zusätzlich schriftlich protestieren. Man darf die Protestbriefe an

Herrn Dr. Ulrich Fischer, Landesbischof

Evangelische Landeskirche in Baden

Blumenstraße 1, 76133 Karlsruhe,

an die Lokalredaktion der Zeitung BNN und an mich als Herausgeber der Internetzeitschrift "Geschichte&Chronologie" schicken.

Den in der Gartenstrasse vor der verschlossenen Türen der ESG versammelten 15 Interessenten (Nach dem telefonischen Anruf von Dekan Vogel verzichtete ich auf die üblichen telefonischen Benachrichtigungen der Interessenten, die kein Email besitzen.) habe ich vorgeschlagen, dass wir diesmal ausnahmsweise in einem der umliegenden Restaurants tagen. Wir haben den Griechischen Restaurant TAVERN PLAKA, Karlstr. 72, Tel. 379999 (Inhaber Ilija) ausgewählt. Der Nebenraum mit ca. 20 Sitzplätzen wurde uns zur Verfügung gestellt.

Das neue Buch von Uwe Topper "Fälschungen der Geschichte. Von Persephone bis Newtons Zeitrechnung", Herbig, München, 2001, wurde kontrovers diskutiert. Ich habe über zwei positive Buchbesprechungen von Dr. Friedrich berichtet, eine in Englisch und die andere in Deutsch, welche er mir telefonische präsentierte. Neben einigen sehr positiven Schätzungen (Gabowitsch und Dübbers) wurden im Salon auch eine etwas skeptischere Beurteilung von Christoph Marx (Basel) vorgetragen. In Wirklichkeit ginge dem letzten Rezensenten mehr um den Begriff der Fälschung, als um die Qualitäten des Buchs. Weil aber dieser Begriff in der ganzen geschichtskritischen Forschung eine wichtige Rolle spielt, wurde darüber heftig diskutiert. Mein abschliessendes Motto war, dass das besprochene Buch von Uwe Topper eine wichtige Ergänzung der geschichtskritischen Bibliothek darstellt, auch für weniger vorbereitete Leser gut geeignet ist und von uns bei jeder Angelegenheit energisch empfehlen sein sollte.

Das revolutionäre geschichtskritische Buch von Edwin Johnson "Die Paulusbriefe" (1894) gehört zur wissenschaftlicher Richtung der Superkritik, die die geschichtliche Reflexion der frühchrisdtlicher Epoche sehr sachlich und ohne Respekt von Dogmen und stark verbreiteten Vorurteilen unter die Lupe nimmt. Das englische Buch "The Pauls Ephistels" (Die Paulusbriefe) hat Uwe Topper uns allen energisch empfohlen und schrieb eine emotionale und detaillierte Buchbesprechung, die bald veröffentlicht sein sollte. Diese seine Rezension wurde im Salon von einem der Teilnehmer vorgelesen. Wir hoffen in der Zukunft auch einen Vortrag von Uwe Topper über das Buch von E. Johnson organisieren zu können.

Das wichtigste im Buch ist die Behauptung, dass vor 1500 man noch nicht von der Existenz der katholischen Kirche sprechen kann, weil die Bibel noch nicht existierte (Und eine katholische Kirche ohne Bibel kann sich Johnson nicht vorstellen). Ausserdem ist Johnson der Meinung, dass große Teile des NT erst nach 1500 geschrieben wurden und auch Luther höchstpersönlich an der Erdichtung von Paulusbriefen sich aktiv beteiligte.

Zum heutiger Zustand der Zeitschrift "Geschichte und Chronologie" habe ich vermerkt, dass die technisch bedingte Krise schon fast überwunden sei und bald die Hefte für Juli und August zu lesen sein werden. Diese Hefte sind schon fast fertig und brauchen nur noch den letzten Schliff. Ausserdem hat die Zeitschrift nun ein Diskussionsforum, einen neuen Besucherzähler und etwas geänderte Struktur: die Hefte für Juli-Dezember 2001 werden in einer neuen Rubrik präsentiert. In nächster Zeit sind auch einige der alten Rubriken in erweiterten Form zu sehen: Archäologie, Chronologie und einige mehr.

Den Vortrag über die frühen jüdischen Drucker, der als "Nebenprodukt" meiner Recherche zu den Anfängen des Gutenbergschen Verfahren entstand, wird separat in dieser Zeitschrift veröffentlicht.