Dipl.-Math. Emil Kelevedzhiev


Herr E. Kelevedzhiev (seine e-mail Adresse: keleved@math.bas.bg) ist für die ganze Internet-Präsentation des Forschungsinstituts für Mathematik und Informatik (IMI) der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia zuständig. Als aktiver Teilnehmer des Arbeitsseminars "Anachronismen" zur Verwendung von Mathematik und Informatik in der kritischen geschichtlichen Forschung (Leiter Prof. Dr. Jordan Tabov) ist er auch für die Präsentation der Ergebnisse der geschichtskritischen Forschung in diesem Seminar verantwortlich. So hat er eine spezielle Seite, die "The Chronology Site" heißt, installiert und will an ihr weiterarbeiten.

Zur Zeit bietet diese Seite - Ende Februar 2000 installiert - obwohl nicht viel (sogar die eigene chronologische Arbeit von Herrn Kelevedzhiev ist hier noch nicht ausgestellt), trotzdem das Folgende:

Wie mir Herr Kelevedzhiev in Sofia versprochen hat, wird er bald diese Seite erweitern.

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Die eigene geschichtskritische und chronologische Forschung von Herrn E. Kelevedzhiev ist mit Astronomie und astronomischen Retrokalkulationen verbunden. Er hat die neusten Methoden auf diesem Gebiet kennengelernt und angewendet.

Wichtig ist zu betonen, dass die astronomischen Retrokalkulationen nicht aufgrund der theoretischen Formeln (die sind zu kompliziert für eine weit in die Vergangenheit reichende numerische Lösung), sondern aufgrund empirischer Beobachtungen mittels Extrapolationen durchgeführt werden.

Als erstes hat Herr E. Kelevedzhiev die Berechnungen von N. Morosov und seinen Nachfolgern bezüglich der astronomischen Interpretation der apokalyptischen Beschreibung in der Offenbarung des Johannes überprüft. Seine Berechnungen haben die Ergebnisse von N. Morosov und den späteren russischen Gelehrten noch einmal bestätigt.

Diese Ergebnisse wurden während einer sehr interressanten Sommerschule "Verwendung von Informationstechnologien für biblische Studien" im Sommer 1998 in Sofia ausführlich (als eine Vorlesung) vorgetragen. Eine kurze Zusammenfassung dieser Ergebnisse findet man im Internet zusammen mit anderen Abstracts dieser Sommerschule.

Zweitens hat Herr Kelevedzhiev zusammen mit seinem Mitautor Milosh Sidorov eine astronomische Lösung für die berühmte Rosette von Pliska (1961 gefunden, seit 1977 der Öffentlichkeit bekannt) vorgeschlagen. Die Autoren interpretieren die auf der Rosette vorhandenen zwei Reihen von Symbolen einmal als Zeichen für Sonne und Planeten und - für die zweite Reihe der Symbole - als Zeichen für Sternbilder. Diese Interpretation hat den Weg zur Datierung (zur Schätzung der Entstehungszeit) der Rosette geebnet. Als das wahrscheinlichste Datum wurde der 5. April 1104 ermittelt.

Der entsprechende Artikel wurde 1998 in Bulgarisch verfasst und 1999 in der Zeitschrift Palaeobulgarica (Band XXIII, Heft 2, S. 78-88) veröffentlicht. Eine verbesserte Fassung (und dazu noch in Englisch) ist seit März 2000 im Internet zu lesen.

Für welche Zwecke wurde das Datum aus dem Jahr 1104 verewigt? Welches wichtige Ereignis sollte hier zeitlich festgehalten werden? Die Autoren versuchen diese Frage im Rahmen der anerkannten Chronologie zu beantworten und bleiben vor dem Rätsel hilflos stehen. Sie deuten auf die Möglichkeit des Auswegs aus dieser Sackgasse: die Kürzung der Chronologie nach Fomenko und - für bulgarische Geschichte - Tabov, wagen aber keine entsprechende Hypothese.

Ohne die Lösung des Rätsels sofort vorzaubern zu wollen, möchten wir an dieser Stelle unsere Leser daran erinnern, dass nach den Berechnungen der Neuen Chronologie Jesus Christus im Jahr 1095 gekreuzigt wurde. Ist vielleicht im Jahr 1104 (also ca. 9 Jahre später) einer der Apostel in Bulgarien gewesen, und wollten die ersten bulgarischen Christen das Datum seiner Predigt festhalten? (Eine offizielle Christianisierung zu so einem frühen Zeitpunkt halte ich für äußerst unwahrscheinlich: um die Zeit existierten noch keine christlichen Staaten, nur die einzelnen Klöster. Trotzdem: wer weiß? Vielleicht gerade hier, in der relativen Nähe Konstantinopels wurde eine der offiziellen frühchristlichen Gemeinden gegründet!).

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Für mich war interessant, die Meinung von Herrn Kelevedzhiev als erfahrenen "Retrokalkulator" zur Behauptung zu hören, das der "letze große Ruck" des 14. Jh. sämtliche astronomische Retrokalkulationen für die Zeit vor 1350 disqualifiziert hat. Darum habe ich ihm die folgende Frage gestellt: wie lange verweilen einzelne Planeten in unterschiedlichen Sternbildern? Die Antwort lautete: diese Zeiten werden in Tagen, Wochen und sogar Monaten gemessen (ca. 1 Monat für Jupiter, ca. 2 Monate für Saturn).

Das bedeutet m. E., dass mindestens einige astronomische Retrokalkulationen auch unter der Annahme einer Änderung der Rotationsparameter der Erde während des "letzten großen Rucks" (bei der Rotation um die Sonne und um die eigene Achse) auch für eine gewisse Zeit vor 1350 legitim sind. Die andere Frage ist, dass man eine numerische Untersuchung durchführen sollte, um festzustellen, welche Fehler solche Retrokalkulationen verursachen können.

Weil die Änderung der Rotationsparameter der Erde während des großen Rucks relativ bescheiden sein könnte, werden für ziemlich lange Zeit die rückwirkenden Berechnungen mit den Horoskopenangaben die Fehler aufweisen, die nur einige Tage oder Wochen betreffen (Unter einem Horoskop verstehen wir eine solche Beschreibung der Lage von Planeten am Himmel, in der für jeden Planet mitgeteilt wird, in welchem Sternenbild der Planet sich befand.). Und auch wenn für noch längere Zeiträume die Fehler bis zu einigen Monaten anwachsen, können solche Retrokalkulationen trotzdem für eine grobe Orientierung nützlich sein.

An dieser Stelle möchte ich mein schon relativ altes Argument für die Rechtfertigung der Retrokalkulationen benutzen: weil die Historiker retrokalkulieren, um die Chronologie zu bestätigen, sind wir verpflichtet das gleiche zu tun, um die logischen (nicht rechnerischen) Fehler solcher Retrokalkulationen aufzudecken.

Übrigens der größte Fehler liegt schon in der Fragestellung der Historiker, die eine Retrokalkulation bei den Astronomen (Himmelsmechanikern) bestellen. Die Geschichtsforscher formulieren die Aufgabe etwa so:

Wir kennen aus unseren chronologischen Berechnungen ein historisches Datum A und wir wissen, dass in der zeitlichen Nähe dieses Datums ein Ereignis S am Himmel vorkam, den die Alten beobachtet und beschrieben haben (Eine Finsternis, oder ein Paar der Finsternisse, oder sogar eine Triade von solchen, eine Bedeckung eines Sterns durch einen der Planeten oder ein Horoskop). Bitte finden Sie heraus, welches dem Ereignis S ähnelndes Himmelsereignis in der Nähe des Datums A liegt.

Die Historiker trauen wenig ihren eigenen Quellen, weil sie eine total falsche Chronologie betreiben und damit viele ehrliche Berichterstatter zu den Irrenden oder schlechter Wissenden als sie selbst (die viel später lebenden Historiker) erklären müssen. Und sie sind überzeugt, dass ihre Chronologie in Ordnung ist und nur vielleicht noch kleine Korrekturen benötigt. Methodologisch eine total falsche Einstellung: man sollte immer an der Richtigkeit der eigenen Wissenschaft zweifeln und ständig deren anerkannte Eckpfeiler überprüfen. Dieses Prinzip ist in den Naturwissenschaften gut bekannt, von den Historikern noch nicht erkannt und gar nicht akzeptiert.

Als Folge dieser Einstellung finden ihre astrophysikalischen Helfer oft 95%-ige, ja sogar 90%-ige Finsternisse dort, wo man klar über eine volle Sonnenfinsternis geschrieben hat. Und die Historiker nehmen einen Fehler um 5-10% leichten Herzens in Kauf (was ist das für ein Fehler bei der ganzen Ungenauigkeit der historischen Quasi-Wissenschaft!), ohne richtig verstanden zu haben, dass sogar eine 97%-ige Finsternis als solche normalerweise nicht wahrgenommen wird, weil die äußeren Erscheinungen einer solchen Finsternis etwa einer hinter die Wolken gegangenen Sonne in diesem Fall entsprechen.

Oder die Himmelsmechaniker müssen den Historikern mitteilen, dass im gewünschten Zeitabschnitt nichts Ähnliches mit S stattgefunden hatte, aber in einer etwas weiter liegenden geographischen Zone doch. Dann ignorieren die Historiker die klaren geographischen Angaben der alten Beobachter (Sie irrten sich doch so oft! Immer dann, wenn ihre Beobachtungen der offiziellen Geschichtsschreibung nicht entsprechen!) und geben sich mit einem so gefundenen Datum zufrieden.

Die richtige Fragestellung sollte in diesem Fall so lauten:

Wir werden Ihnen kein historisches Datum nennen, sondern nur, dass die Alten ein Ereignis S am Himmel beobachtet haben und es so und so beschrieben haben. Hier ist die Beschreibung. Bitte achten Sie auf alle astronomischen und geographischen Details in dieser. Und bitte finden Sie heraus, wann in der Vergangenheit ein solches Himmelsereignis stattfand. Und finden Sie bitte alle solche Ereignisse der Vergangenheit heraus!

So und nur so stellen die kritischen Geschichtsforscher die Frage und nur bei einer solchen Fragestellung kann man fruchtbare Kooperation zwischen der Himmelsmechanik (Astronomie) und der Geschichte erwarten.

Copyright: E. Gabowitsch