Inder kannten keine Geschichte.

Teil 3. Europäer erdachten die indische Geschichte

Eugen Gabowitsch, Karlsruhe

 

Indien ist ein Land der ältesten Kulturen der Welt, vielleicht die Wiege der Zivilisation schlechthin. Und das ist – trotz der Behauptungen der Historiker – das Land mit der kürzesten Geschichte unter den wichtigsten Kulturen der Welt (unter der Geschichte verstehe ich nicht die historische Vergangenheit, sondern die geschriebene Berichterstattung über diese und all das, was man auf Grund von geschriebenen und materiellen Zeugnisse über die Vergangenheit streng logisch beweisen kann).

Indien ist das Geburtsland von mindestens zwei wichtigen Religionen (Hinduismus und Buddhismus), die Heimat von originellen philosophischen Systemen und reicher Literatur, das Land von Joga und Tantra, aber Indien ist – bis ins späte Mittelalter - ein Land ohne geschichtlicher Tradition und Chronologie. Darum muss man übrigens sehr skeptisch die heutigen chronologischen Behauptungen der Berufshistoriker zur Kenntnis nehmen.

Für einen traditionellen Historiker klingt diese Behauptung schrecklich, als eine Beleidugung der ganzen historischen Zunft (die fast axiomatisch annimmt, das jede Hochkultur unbedingt auch das historische Bewußtsein im europäischen Sinne früh entwickelte, was für die östlichen Kulturen einfach nicht stimmt). Für mich ist das keine negative Beurteilung einer Hochkultur, die ihre eigene Wege der Entwicklung fand und in ihrer Originalität einige von verlogenen europäischen geistigen Spielchen für unnötig hielt. Es lebe die große indische Kultur, auch wenn sie ohne Chronologie und geschichtsschreibung im westlichen Sinne auskam!

Wenn wir dabei noch bedenken, wie viel erfunden und gefälscht wurde, um jeder europäischen Ecke eigene tausendjährige Geschichte zu erfinden, dann erscheint die alte orientalische Gleichgültigkeit gegenüber Chronologie, Herrschergenealogie und historischer Aufzeichnungen als eine weise und durchdachte Position: gegen die Macht der Zeit steht der Mensch sowieso auf dem verlorenen Posten.

Schade, dass die heutige herrschende Mentalität (oder eher die Mentalität der Herrschenden) auch im Orient (in Indien wie in China, aber auch in allen anderen Ländern) unter dem westlichen Einfluss dem europäischen Gier nach einer total durchdatierten multitausendjährigen Geschichte mit östlichem Fanatismus verfallen ist. Heute kümmern sich die asiatischen Länder leider mehr um den quasi-historischen "Glanz", als um das Wohlergehen eigener Bevölkerung.

 

Wurde die indische Geschichte durch die "antiken" Griechen im Mittelalter entdeckt?

Im Kapitel "Die Entdeckung der indischen Geschieht" des Buchs [7] liest man "Die Griechen (also, keine Inder! – E.G.) waren die ersten, die Ereignisse der indischen Geschichte überliefert haben. Schon Herodot hatte im 5. Jahrhundert v. Chr. merkwürdige Dinge über Indien berichtet, beispielsweise, daß es dort goldrgabende Ameisen gäbe." Eine wirklich herausragende historische Leistung!

Wie wir heute mit großer Sicherheit wissen, lebten die "antiken" Griechen im 13-15 Jh. nach Chr. und die Werke, wie die von Herodot, wurden in der Renaissancezeit apokryphisch erdichtet oder unter einem Künstlernamen Geschrieben. In diese – für die Geschichtskritiker sehr frühe - historische Zeit passen auch die Vorstellungen von "Herodot", oder wie auch immer er wirklich hieß, von einem Wunderland Indien gut rein.

Die nächsten sollen laut [7], S. 84, die Alexanderhistoriker sein, die nicht nur den "Alexanders Indienzug detailliert beschrieben", sondern auch noch "dem Westen genauere Kunde von indischen Königen wie Poros" brachten. Also, wieder waren es keine Inder, die dies zu leisten wußten. Und weil wir auch im Falle des Alexanders die Ereignisse des späten 15. Jh. vermuten (die Eroberung des Westen des asiatischen Kontinents durch den Isakander alias Machmud den II) oder sogar aus dem 16. Jh. als die Armeen von Suleiman den Prächtigen wirklich bis nach Indien vordrangen, sind das keine besonders uralten Anfänge der indischen Geschichte.

"Von den Alexanderhistorikern und antiken Berichten aus erster oder zweiten Hand bezog auch das europäische Mittelalter sein wages Bild, das nun durch neue Kontakte, wie sie der Welthandel , aber auch die Kreuzzüge herstellten, neue Konturen erhielt". Eine sehr detaillierte historische Beschreibung von mehr als 1000 Jahren "indischer Geschichte"!

"Die Beziehungen zwischen Indien und der griechisch-römischen Welt haben seit Frühzeit der Indologie zu Forschungen und Spekulationen Anlaß gegeben" schreibt W. Halbfass in [11, S. 250] über die Kulturbeziehungen Indiens. Auch ohne entsprechender archäologischen Funde und kulturhistorischer Analyse hätten wir an solchen Beziehungen nicht gezweifelt. Aber uns geht nicht um die blosse Existenz von Beziehungen, sonder darum, dass diese Beziehungen von den Indern historisch nicht dokumentiert wurden. Folglich gibt es auch keine Chronologie dieser und anderen ähnlichen Beziehungen, nur die erwähnten Spekulationen.

"Bedeutsame, im einzelnen freilich umstrittene Kontakte entwickeln sich im griechisch-bakrischen Nordwesten. [...] Die Frage der kultureller Wechselwirkungen, zu denen es in der kosmopolitische Atmosphäre Alexandieas gekommen sein mag, , ist oft, jedoch selten mit definitivem Ergebnis diskutiert worden." [11, S. 251]. Mit anderen Worten: wo kleine Geschichtsschreibung und keine Chronologie vorhanden waren, kann man heute nur deuten, annehmen, spekulieren, von Spekulationen profitieren etc. Aber aus Nichts entsteht trotzdem nur ein Nichts.

Sogar der Name "Indien" stammt von den Europäern

Wirklich, bis heute betrachten die Inder diesen Namen als ein englisches Wort (Erbe der Kolonialzeit: Englisch wird auch heute noch in Indien als eine der Staatssprachen behandelt). Die Inder kennen nur den Fluß Sindhu (den wir heute als Indus bezeichnen) und nennen ihr Land Bhārat nach dem sagenhaften Weltherscher. Bhārata (BRT sind im Russischen die Konsonanten der Wörter " brat‘ " = "nehmen", "borot‘ " = "jemandem bekämpfen", aber auch "brat" = "Bruder").

"Die Bezeichnung "Indien" und "indisch" haben erst in der Neuzeit ihren heutigen geographischen und historischen Sinn erhalten" ([7], S. 83). Vermutlich auch hier waren die Großmogulen die ersten (wie auch bei der ganzen indischen Geschichte): sie nannten das große Land Hindustan oder Hindostan.

Das Wort Indien stammt nach Überzeugung von Fomenko und Nossovski vom russischen Wort "inde", was so weil wie "weit entfernt", "irgendwo" bedeutet. Die westlichen Geschäftsleute sollen auf den osteuropäischen Märkten gefragt haben, von wo die exotischen Waren kommen, die dort verkauft wurden, und hörten gerade diese Antwort: "Aus einem weit entfernten Land, inde". Das Wort hat auch im Latein die ähnliche Bedeutung: weit, von dort, entfernt. Soll das bedeuten, dass die Mogulen aus dem russischen Norden kamen oder mindestens mit den Russen im engen Kontakt standen?

Das Wort Mogul kann als Weltherrscher interpretiert werden: MGLN sind die Konsonanten der Wörter

Mongole, Menge, mnogo (Russ.) = viel

Megalē (Alt-Gr.) = Große Göttin = lat.: Magna Mater,

megalion (Alt-Gr.) = groß,

magnālia (lat.) = Wunder, große Errungenschaften

Das Wor Mogul ist auch mit russischen Worten "mogu, mogushchij, mogushchestwennyj" verbunden, die soviel bedeuten wie kann, derjenige, der kann, mächtiger.

Wussten die Araber vielleicht etwas über die Geschichte Indiens?

Im Buch [11] fand ich eine folgende Stelle: "Der Inschriftenkunde und Numismatik [...] kommt als Geschichtsquelle erhöhte Bedeutung zu, da die alten Inder der Historiographie wenig Aufmerksamkeit schenkten, was bereits 1000 n. Chr. al-Biruni [...] beklagte". Zu diesem Satz fielen mir zwei Überlegungen ein.

  1. Erstens möchte ich die Leser auf die listige Art und Weise aufmerksam machen, auf die Kasuistik, mit der die Geschichtler den ganz klaren Stand der Dinge zu vertuschen versuchen. Wenn man in den Taschen kein Geld hat, wirklich keine einzige Kleinmünze, dann ist es vielleicht noch möglich zu behaupten, dass man wenig Geld in den Taschen hat (man hat doch früher Geld in den Taschen gehabt). Aber wenn man in Indien überhaupt keine Historiographie hatte, auch in den früheren und noch früheren Zeiten nicht, weil die Idee der Geschichte im westlichen Sinne des Wortes in Indien gar nicht existierte, dann ist die zitierte Behauptung ein glatte Lüge. Mit gleicher Gelassenheit könnte man heute schreiben, dass die alten Inder der Atomenergie leider wenig Aufmerksamkeit schenkten.
  2. Zum zweiten veranlasste mich dieser Satz noch einmal das Buch von Biruni zu blättern, das ich in der reichlich kommentierten russischen Ausgabe [15] besitze. Man findet im umfangreichen Buch (ca. 500 S. in russischer Übersetzung) alles Mögliche über Indien, so das man mit Recht das Buch als eine Enzyklopädie des geistigen Lebens Indiens bezeichnet (eine andere Frage ist, welcher historischen Periode diese Aufzeichnungen zuzuordnen sind), nur keine Geschichte und keine historische Chronologie.

Übrigens wurde das Buch erst 1887 von E. Sachau in London zuerst in Arabisch und dann 1888 in englischer Übersetzung veröffentlicht. Er schätzte dass das Buch etwa 1030 n. Chr. geschrieben wurde. Wie die russischen Kommentatoren des Buchs [15] schreiben "Das ist wirklich ein glücklicher Zufall, das dieses wunderschöne Werk bis zu unserer Zeit überlebte und in Form von einem so schönen Manuskript erhalten blieb, der eine Datierung 4. Dschumada 554/24 Mai 1159 beinhaltet und vom Autograph des Autors abstammt." (S. 50).

Auf der gleichen Seite beklagen die Kommentatoren, dass das Werk praktisch unbekannt im Laufe der Jahrhunderte geblieben ist und das Buch kaum durch andere arabischen Autoren zitiert wurde. Die beklagen auch das Fehlen von positiven Rezensionen auf das Buch in der ganzen arabischen Literatur. Mit den Wörtern "kaum", "wenig" umschreiben die Geschichtler normalerweise das totale Fehlen. Wir können nur sagen: Was noch nicht existierte, konnte auch kaum erwähnt, zitiert oder rezensiert werden.

Jeden, der nur ein bißchen mit Apokryphen Erfahrungen hat, sollte eigentlich in dem Werk eine klare spätere Fälschung erkennen. Und wenn doch einige wenige arabischen Autoren das Buch von Biruni zitierten, dann soll die falsche Datierung dieser Autoren behoben werden (oder diese Zitate als spätere Einschübe entlarvt werden). Vermutlich wurde die Fälschung erst im 19. Jh., vielleicht auch etwas früher produziert. Das würde auch den gelobten guten Zustand des Manuskripts erklären. Ob dem wirklichen Autor des Indienbuchs Werke aus der Zeit vor dem Ankunft der Europäer in Indien zur Verfügung standen oder er die späteren Quellen benutzte und jede Erwähnung von Europäern mied um sein Werk für den künftigen Käufer interessanter zu machen, dass sollten die künftigen Forscher herausfinden.

Endwort, das noch kein endgültiges Wort ist.

Die kritischen Bemerkungen zur indischen Geschichte (oder genauer zur Pseudogeschichte) sind damit noch keinesfalls abgeschlossen. Aber auch aus diesen unseren Ausführungen sollte schon jedem klar sein, dass:

Unsere hier nicht präsentierten Zweifelsmomente beziehen sich an die ganze heutige Geschichtsschreibung für die Zeit vor 1500. Insbesondere zweifle ich an der Existenz eines Imperiums der Mauryas (und überhaupt jedes großen Imperiums in der Vormogulenzeit). Waren das vielleicht die Mauren (die Moslems) etwa im 15 Jh. und deren uns heute nicht mehr bekannten Staaten? Eine Islamisierung im 15. Jh. könnte die unglaublichen Erfolge der Mogulen bei Indieneroberung erklären.

Auch das spätere Kaiserreich der Guptas ist vermutlich eine reine Phantasie der Geschichtler. "Die nationale indische Geschichtsschreibung sucht den Weg zum unabhängigen Einheitsstaat als große Linie herauszuarbeiten". [11, S. 187]. Für solche ideologisch geprägte Gerade können die imaginären Reiche vielleicht von Bedeutung sein. Für eine der geschichtlichen Vergangenheit entsprechende ehrliche Geschichtsschreibung ist nur ein Kriterium wichtig: Begehbarkeit der historischen Behauptungen. Und damit tut die indische "Geschichte" bis heute sehr schwer.

 

Wie stelle ich mir die wirkliche historische Vergangenheit Indiens vor?

Man darf von der indischen Geschichte vor der britischen Eroberung nicht reden: es war Geschichte einzelner Staaten.

Keine Keiserreiche vor Mogulen

Maurier als Maurer. Darum so leicht durch Mogulen erobert

Wiederstand gegen die Kalifen war so heftig, weil es nur auf dem Papier stattfand

Die große Erneuerung des hinduistischen Denkens im 14-15 Jh. (s. S. 11) – Einflüsse der jungen christlichen Kirche

Sanskrit jung

Harappa – Sanskrit - vorkatastrophisch

Vielleicht wusste man außerhalb Deutschlands im 19. Jh. schon viel mehr über die Geschichte Indiens? Oder?

Wirklich, wenn man den heutigen Geschichtsschreibern den Glauben schenken darf, die folgendes schreiben

"Die Indienhistoriker des 19. Jahrhunderts trugen viele neue Mosaiksteine zusammen"

(also gab es auch früher nur einzelne "Mosaiksteine"!)

Literatur.

  1. Hugo Münsterberg, Der indische Raum, Holle, Baden-Baden, 1970 (Reihe "Kunst im Bild").
  2. The New Cambridge History of India, Bd. 1 / 2, Cambridge, 1989
  3. Dr. Ludwig Reihardt, Urgeschichte der Welt, Die Kulturen der Vor- und Frühgeschichtlichen Metallzeit. Nach den neusten Forschungsergebnissen, Benjamin Harz, Berlin-Wien, 1924 (I. Band: Der Orient, 718 S., II. Band: Der Occident, 712 S.).
  4. Oskar Jäger, Weltgeschichte in vier Bänden, Bielefeld/Leipzig, 1894.
  5. Guillaume Raynal, Denis Diderot, Die Geschichte beider Indien, Nördlingen, 1988
  6. Gita Dharampal-Frick, Indien im Spiegel deutscher Quellen der Frühen Neuzeit (1500-1750). Studien zu einer intellektuellen Konstellation, Niemeyer, Tübingen, 1994.
  7. Friedrich Wilhelm, Geschichte, in: Heinrich Gerhard Franz, Das alte Indien, Geschichte und Kultur des indischen Subkontinents, C. Bertelsman, München, 1990, S. 83-146.
  8. Veit Valentin, Weltgeschichte. Völker, Männer, Ideen, Amsterdam, 1939,
  9. Jawaharlal Neru, The Discovery of India, London, 1951
  10. Kavalam Madhava Panikkar, "Geschichte Indiens", Düsseldorf, 1957.
  11. Heinz Bechert, Georg von Simson (Hrsg.), Einführung in die Indologie, Stand, Methoden, Aufgaben,Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1993.
  12. G. Heinsohn, Die Sumerer gab es nicht, Frankfurt/M, 1988.
  13. Gunnar Heinsohn, Wer herrschte im Industal? Die wiedergefundene Imperien der Meder und Perser, Mantis, Gräfelfing, 1993
  14. Kurt Schildmann, Als das Raumschiff "Athena" die Erde kippte. Indus, Burrows-Cave und Glozel-Texte entziffert, Suhl, 1999
  15. Abu Reichan Biruni, India, Ladomir, Moskau, 1995 (in Russisch)
  16. A) Ancien Indian Civilization, Chapter XII, in: Ancient Civilizations, Ed. By Bongard-Levin, Mysl, Moskau, 1989, pp. 219-239 (in Russisch), B) Ancien Civilization of South-Eastern Asia, Chapter XIII, in: Ancient Civilizations, Ed. By Bongard-Levin, Mysl, Moskau, 1989, pp. 240-249 (in Russisch)
  17. Kultur in Alten Indien, A.W. Gerasimow (Herasg.), Nauka, Moskau, 1975
  18. Licille Schulberg, Historic India, Time-life Books, New York, 1968
  19. Jean-Francois Jarrige, Vorzeit und Induskultir, in: Das alte Indien, Geschichte und kultur des indischen subkontinents, C. Bertelsman, München, 1990, S. 49-82.
  20. Claus Dieter Rade, Gedanken zu "geschichtlichen" Größe Indiens, Zeitensprünge, Heft 1/1997, 118-124
  21. Uwe Topper, Hinweise zur Neuordnung der Chronologie Indiens, Zeitensprünge, Heft 4/1996, 436-447.