Dr. Horst Friedrich
Erstveröffentlichung in VFG 3-90
Ich möchte mit meinem kurzen Beitrag auf die Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Fritz Rogowski aufmerksam machen, welche in irgendeiner Form in die Thesen von Velikovsky und Illig werden integriert werden müssen. Auf diese dringliche Notwendigkeit hatte ich in meiner Seevölker-Arbeit nur en passant und indirekt hingewiesen (Friedrich 1988).
Andernorts (Friedrich 1986) habe ich definiert, daß sich dieses heute Geomantie benannte Forschungsgebiet mit der Frage befaßt, ob und inwieweit alte "heilige" Stätten der verschiedenen geschichtlichen und vorgeschichtlichen Perioden wie etwa Kirchen, Klöster, Tempel, heilige Quellen, sakrale Wallburgen, Megalithbauten, vorgeschichtliche Hügelheiligtümer, bronzezeitliche Grabhügel u. dergl. entlang "heiliger Linien" angeordnet sind. Zur letztlich entscheidenden Frage, warum dies so sein sollte, herrscht heute allerdings noch ein buntes Durcheinander.
Zur Diskussion stehen "heilige Geometrie" (etwa Weisweiler 1981), astronomisch orientierte Linien, "heilige Winkel", Überreste prähistorischer geodätischer oder Straßen-Netze sowie "Energielinien" (Chi?, Prana?). vergleichbar etwa den Meridianen der chinesischen Akupunktur-Heilkunde, die bereits an unseren Universitäten gelehrt werden darf. Es sei hinzugefügt, daß diese verschiedenen Erklärungen sich nicht notwendigerweise gegenseitig auszuschließen brauchen.
Wie dem auch allem sei, die Forschungsergebnisse Rogowskis scheinen mir klar darauf hinzudeuten, daß die Mykener - nach den von Velikovsky noch um 1460 datierten schweren Kataklysmen? - die dringende Notwendigkeit sahen, ein riesiges Orientierungsnetz oder "geomantisches System" zu etablieren. Es gelang nämlich Rogoswki nachzuweisen, daß ganz Griechenland, das Festland wie auch die Inseln einschließlich Kreta, von einem "Netz" vorgeschichtlicher Freilicht-"Tennen" überzogen ist,
Es sind dies relativ roh gepflasterte, mehr oder minder runde Plätze, die teils bis heute tatsächlich zum Dreschen des Getreides verwendet wurden, oft aber auch in ganz einsamen Gegenden, selbst in den Bergen zu finden sind. Diese "Tennen" sind unter geschicktester Ausnutzung des Geländes so angelegt, daß man von jeder "Tenne" aus stets mehrere andere anvisieren kann. Rogowski hält es für erwiesen, daß damit ein uraltes Vermessungsnetz aus der Zelt vor der dorischen Einwanderung entdeckt worden ist.
Rogowski erwähnt auch die Arbeiten eines unabhängig von ihm forschenden griechischen Gelehrten (Manias 1969a, 1969b, 1971), der herausfand, daß die alten Zentren der griechischen Frühgeschichte wie Delphi, die Akropolis von Athen, Eleusis, Olympia, Dodona, Knossos etc. eindeutig in gewissen geometrischen Konfigurationen und Verhältnissen zueinander in Beziehung stehen. Rogowski erinnert daran, daß in alten Zeiten das, was wir heute etwa Geometrie, Mathematik, Vermessungskunst, Astronomie, Musik etc. nennen und gewöhnlich als getrennte Wissenschaften ansehen, Teile einer einzigen, umfassenden "heiligen Wissenschaft" waren.
Er schreibt: "Diese Zahlenverhältnisse, die auch in der antiken Musiktheorie auftreten, müssen also in den prähistorischen Wissenschaften eine beherrschende Rolle gespielt haben. Plato berichtet im Timaios darüber, er führt die Proportionen zahlenmäßig an und spricht in diesem Zusammenhang von einer mehrtausendjährlgen Überlieferung heiligen Gedankengutes".
Uns, die wir uns außerstande sehen, den katastrophistischen und chronologie-zusammenschiebenden Szenarien von Velikovsky, Heinsohn und Illig Plausibilität abzusprechen, bleibt nun die Aufgabe, die Entdeckungen Rogowskis mit jenen Theorien, wie man so schön sagt, "unter einen Hut zu bringen".
Literatur:
Friedrich, H. (1985): Uralte "Heilige Linien" u Lech-Isar-Land? in: Lech-Isar-Land: Weilheim 1985
Friedrich, H. (1988): Velikovsky, Spanuth und die Seevölker-Diskussion: Argumente für eine Abwanderung atlanto-europäiacher spät-bronzezeitlicher Megalith-Völker gegen 700 v. Chr. in den Mittelmeerraum; Wörthsee
Guichard, X. (1936): Eleusis Alesia, Enquête sur les Origines de la Civilisation, Européenne; Abbeville
Manias, Th. (1969a): Agnosta Megaloyrgemata ton archaion Ellenon; Athen
Manias, Th. (1969b): The invisible Harmony of the Ancient Greek World and the Apocryphal Geometry of the Greeks; Athen
Manias, Th. (1971): La triangulación geométrico-geodésica del espacio de la antigua Grecia, in: Zootechnia Vol. XX, 11-12; Madrid
Michell, J. (1986): Die Geomantie von Atlantis; München
Pennick, N. (1982): Die alte Wissenschaft der Geomantie; München
Pölt, E. (1988): Der Geschriebene Stein im Vikkartal bei Innsbruck; Innsbruck (unveröff. Manuskript)
Rogowski, F. (1973): Tennen und Steinkreise in Griechenland, in: Mitteilungen der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig VIII/II
Skinner, S. (1982): The Living Earth Manual of Feng-Shui; London-Boston-Melbourne
Weisweiler, H. (1981): Das Geheimnis Karls des Großen; München