Felsritzungen –
Bildsprache
der Frühzeit

Verbesserte Neuauflage


Renate Freifrau von Lamezan

Schloss Magenheim,
74389 Cleebronn



Zum Bewusstseinsstand des Menschen der Frühzeit führen keine schriftlichen Quellen, keine Pergamente so weit zurück wie die auf Stein gemalten und in Stein eingeritzten Felsbilder, die sie uns in großer Zahl hinterlassen haben.

Besonders auf Felsen in Skandinavien und in den Alpen – von Eiszeitgletschern glattgeschliffen – sind in eingeputzten und eingeritzten Bildern Zeugnisse vorgeschichtlicher Kulturen überliefert. Diese Zeugnisse bringen - durch ständige Neuentdeckungen - das bisher bestehende Bild der heutigen Forschung in immer neue Erkenntniszusammenhänge.

In das Zwielicht der Morgendämmerung der Geschichte der europäischen Volker, in das Dunkel, das über ihren Lebensumständen lag, hat die Forschung der letzten Jahrzehnte viel Licht gebracht. So ist es weitgehend gelungne, anhand der zahlreichen Felsbildvorkommen wichtige Rückschlüsse zu ziehen über das innere (religiös-sittliche) und über das äußere (existentiell-wirtschaftliche) Leben unserer Vorfahren.

Das heute noch gültige Wort: "Die Kunst ist die Tochter der Religion" hat zweifellos in der prähistorischen Felsbild-Kunst ihren ersten uns zugänglichen Niederschlag gefunden. In diesen Bild-Vermächtnissen besitzen wir religionshistorisches Material von unschätzbarem Wert, deren Hauptinhalte der Totenkult, der Fruchtbarkeitskult und die Verehrung der Götterwelt in dem gestirnten Himmel sind.

Die Frage nach den frühen Bewusstseinsstufen des Menschen kann neben den ergrabenen Befunden der Archäologie nur bei diesen unseren ältesten Zeugnissen – nämlich durch die weltweit vorhandene Felsbildkunst – Antwort finden.

Diese Bildsprache ist Ausdruck des eiszeitlichen und nacheiszeitlichen Menschen. Von ihr können wir sein Sprechen mit Gott ablesen, dem Ewig-Zeitlosen, dem Unwandelbaren, dem Einen, von dem alles ausgeht, in die Differenzierung und in das Final wieder alles einmündet nach dem Gesetz der ewigen Wiederkehr.

An diesen Opfer- und Kultstätten wurde das gemalt und eingeritzt, was dem Menschen von Urbeginn an innerstes Anliegen war und das er seinen Nachfahren mitteilen wollte: die Bitte um Erhalt des Lebens, Schutz vor dem Bösen und das Herabholen der Energie der Gott-Sonne, die in einer Fülle von Symbolen, bes. in Skandinavien, ablesbar sind.

Diese Bilder sind die Altarbilder der Vorzeit und ihre Sprache spricht durch die Augen zu den Menschen. Viele dieser Kultorte haben ihre Heiligkeit bis heute erhalten, wo man in darauf errichteten Kirchen genau das gleiche vollzieht wie früher, als der Stein der Boden und das Dach der Himmel war.

Ritzungen in Stein sind der spätere Nachfahre der viel früher zu datierenden Kunst der Felsmalereien, die lt. traditioneller Datierung während der letzten Eiszeit im sog. Aurinacien im Jungpaläolithikum ca. 30.000 Ante entstanden sind.
Die bekannten Höhlen Spaniens und Frankreichs weisen allerdings neben den wunderbaren farbigen Malereien auch Skulptiertes und Geritztes auf, was beides sich im Laufe der folgenden Jahrtausende zu je selbständigen, großartigen Bildkünsten entwickelt hat wie z.B. "Die Kultur der Großskulpturen". Die Forscherin Dr. Neumann-Gundrum hat in ihrem unter diesem Titel erschienenen Buch die Bedeutung dieser spektakulären Aussagen nachgewiesen.


Zur Besiedlungsgeschichte

Um sich ein Bild zu machen über die Besiedlung Skandinaviens, muss man zurückschauen bis zum Ende der letzten Eiszeit, der sog. Würm- oder Weichsel-Eiszeit, die ca. 10.000 v. Zt. abgeschlossen war. Während dieser Kaltperiode herrschte im eisfreien Zentraleuropa von den Alpen im Süden bis zur Eisgrenze im Norden ein sehr rauhes und an den Eisrändern geradezu mörderisches und von schweren Stürmen heimgesuchtes Klima.
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Die dort lebenden Menschen der "Jäger- und Sammler-Epoche" waren Nomaden, die den Nahrungsquellen und dem Tier nachzogen.
Mit dem Abschmelzen des Eises und dem langsamen Rückzug der Kälte folgte eine Besiedlung der nördlichen Regionen durch die zentraleuropäische Bevölkerung. Das Rentier ging auf Futtersuche der Flechte am Eisrand nach und geriet mit dessen Rückzug immer weiter nach Norden.
Der Jäger wiederum folgte dem Ren und so wurde nach und nach der skandinavische Halbkontinent bevölkert. Die Menschen der zentraleuropäischen Herkunft nahmen ihre Sitten, Gebräuche und Kulte mit und konnten diese in dem zunehmend besser werdenden Klima kultivieren.

So kommt es, dass der skandinavische Name "Norge" für Norwegen, wie wir sagen, nichts anderes heißt als nach "Norden gehen" und "Der Weg nach Norden".

An den eisfreien Küsten Skandinaviens konnte sich nun ein Leben entfalten, das durch die zunehmende Sesshaftigkeit bis hin zur "neolithischen Revolution" vielseitige Existenz-möglichkeiten bot.

Die Felsbilder vermittelten uns ein reiches Bild dieser aufgeblühten Lebensweise, deren zahlenmäßig höchster Niederschlag generell im 2. Vorchristlichen Jahrtausend anzusetzen ist, und deren bedeutendste und dichteste Vorkommen im südwestschwedischen "Bohuslän" liegen.

Der verdienstvolle Symbolforscher Hermann Wirth erklärt den Bevölkerungszuwachs in dieser Region folgendermaßen:
"Das plötzliche geballte Erscheinen der bohusläner Felsbildkultur ohne irgendwelche Vorstufe ist nur so zu erklären, daß ingwäonische Megalithbauern aus Dänemark und Nordwestdeutschland vor dem Ansturm der Streitaxtleute aus dem Süden vom Öresund über den Skagerak nach Bohuslän übersetzten".
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Zur Kulturgeschichte

Hierzu erfahren wir aus der "Deutschen Agrargeschichte"
3 folgendes:
"Als sich im Zuge der sog. "neolithischen Revolution" etwa im 5. Jahrtausend Ante der Übergang der "aneignenden" zur "produzierenden" Wirtschaftsweise ereignete, ergriff diese Veränderung von Mitteleuropa aus nach und nach auch die nordeuropäischen Gebiete. Die Bedeutung dieser ökonomischen und zivilisatorischen Veränderung kann kaum überschätzt werden, da sie in nahezu allen Lebensbereichen der ländlichen Bevölkerung tiefgreifende Umwälzungen mit sich brachte. An die Stelle der mehr als 500.000 Jahre vorherrschenden Wirtschaftsweise der alt- und mittelsteinzeitlichen Jäger und Sammler trat nunmehr eine voll entwickelte Ackerbaukultur mit ihren völlig neuen und umwälzenden ökonomischen Errungenschaften.
Es sind dies: die Sesshaftigkeit der Bevölkerung, die Ausbildung von beständigen Ansiedlungen mit dauerhaften, von Menschen errichteten Behausungen, die Zähmung und Züchtung von Haustieren, die systematische Züchtung von Anbaugetreide (auch durch Selektionsverfahren wurden aus Wildpflanzen Kulturpflanzen, Anm. d.Verf.) und andere Nutzpflanzen aus den entsprechenden Wildformen, großflächige Rodungen und der Ackerbau auf den eigens bearbeiteten Anbauflächen.
An die Stelle der in alt- und mittelsteinzeitlichen Kulturen herrschenden aneignenden Wirtschaftsweise trat nunmehr die produzierende des Neolithikums (Jungsteinzeit), die auf die Erzeugung landwirtschaftlicher und von Anfang an auch handwerklich-gewerblicher Güter gerichtet war."


Die Zeugnisse dieser Lebensart sind uns auf den Felsplatten in einmaliger Weise überliefert, zumal diese Dokumente des äußeren Lebens, besonders des Ackerbaus, die tiefe Verehrung der "Mutter Erde" erkennen lassen, die im Zusammenwirken mit der lebenserhaltenden Kraft der Sonne den Fortbestand aller Lebensformen sichert.

Durch kultisch-religiöse Handlungen wie das "Herabholen kosmischer Energien" wurden Mutationsverfahren gefördert, aus denen neue und kraftvolle Getreidearten gewonnen wurden, die "himmlische Ordnung" auf die Erde übertragen, sie erkennen und danach zu leben, dürfte ein grundsätzliches Anliegen dieser Menschen gewesen sein.

Hermann Wirth sagt dazu:
"Die nordischen Felszeichnungen sind Quelle zum Verständnis europäischer Urreligion. Was wir aufgrund der Symboldenkmäler ermitteln können ist: daß dem "Homo Sapiens Diluvialis Europäus", der europäischen Rasse, ein Erfahrungswissen um die Allkraft zueigen war, die aus dem "Allheim" auf dem Sonnenweg vom Himmel zur Erde zu dem "Menschenheim" kommt".
Und:
"Das Recht der Urgemeinschaft und ihres kutlischen Matriarchats ist im höheren Sinne kultisch-transzendent, jenseitig insofern, als das irdische Heim mit dem überirdischen Heim durch stetige Wechselwirkung in Verbindung steht".
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Zur Komposition der Felsbilder

Dazu hören wir von dem berühmten Felsbildforscher Herbert Kühn:
"Keine Gruppe von Felsbildern des vorgeschichtlichen Europas ist so reich und hat eine solche Ausdehnung wie die stilisierten Felsbilder Skandinaviens. Vom Süden bis zur Mitte der Halbinsel, sowohl in Schweden wie in Norwegen, ist das ganze Land mit solchen Bildern bedeckt. Dabei heben sich zwei Zentren heraus:
Das eine liegt in Bohuslän/Schweden, das andere in Östergötland (Karte). Uppland und Schonen folgen in der Häufigkeit der Funde. Die Anzahl der Bilder in Bohuslän ist so groß, dass alleine um den Ort Tanum 280 Fundstellen dieser Kunst gezählt werden konnten

(Bis heute sind ca. doppelt so viele Fundstellen hinzugekommen, Anm. d. Verf.).
Die Zeichnungen liegen auf von Gletschern glattgeschliffenen Granitfelsen, manchmal waagrecht, manchmal leicht geneigt, fast nie an senkrechten Felsbildungen. Sie sind im allgemeinen 40-60cm groß. Es gibt aber auch Götter, die 1,50-2,30m messen (wie die Tyr-Darstellung bei Tanum). Schiffe sind etwa 50cm lang, in einigen Fällen aber bis 3m. (Schiff Torsbo Abr.)
Der Grundcharakter aller dieser Bilder ist das Stilisierte, Flächige, Feste. Tiere, Menschen und Schiffe sind nicht auf eine Raumwirkung hin gesehen, alles ruht ganz in der Ebene."
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Auf den bebilderten Felsen ist es teilweise leicht, zusammengehörige Figuren oder Gruppen als Gesamtmotiv zu erkennen, wie z.B. die beiden Bilder von Kalleby: Drei Lurenbläser über einem Schiffchen mit Lebensbaum (2) und eine übergroße "Thor-Gestalt" mit Hammer über Schiff und drei kleinen Lurenbläsern als Überzeichnung früherer Schiffe. (3)
Diesen Bildern scheint eine Idee zugrunde zu liegen und aus einer bildhauerischen Hand zu stammen.
Andernorts lassen sich wiederum schwer Zusammenhänge erkennen zwischen einzelnen Motiven, wobei jede kleine Gruppe in sich geschlossen erscheint wie z.B. auf dem großen Kultfelsen "Fossum" (Bild Katalog Rohrbach Foto Titel 4).
Und nochmals Herbert Kühn: "Manche Bilder ordnen sich zu Gruppen und Szenen zusammen. Da kann man einen Gott erkennen (Bedeutungs-Dimension), in Tanum sieht man menschliche Paare in Umarmung, eines wird gesegnet durch einen Gott mit Hammer. Manchmal gruppieren sich Menschen um ein Schiff oder umwandeln einen Maibaum (5 Abr. Gerum). Immer wieder sind Kultprozessionen dargestellt. Gruppen von Menschen in gleicher Haltung und Bewegung; manchmal ist es schwer festzustellen, wo eine Gruppe endet und eine neue beginnt. Überhaupt geben diese Bilder viele Rätsel auf und es ist verständlich, dass Generationen von Forschern ihnen ihre Arbeit widmen müssen.
Im Vordergrund stehen in der skandinavischen Felsbildkunst Schiffe und Götterfiguren. Die Schiffsbilder gehen in die Tausende, sodass sich auf ihnen eine sichere Chronologie aufbauen lässt. Menschen sind in den verschiedenen Tätigkeiten dargestellt: als Pflüger, als Tanzende, Springende und im Kampf, sowie Adoranten. Es gibt Götterfiguren mit ihren Symbolen, mit Axt und Speer, mit Pfeil und Bogen. Es finden sich auch Darstellungen einzelner Waffen, Beile und Schwerter, Schilder, vierrädrige Wagen mit Pferden und Ochsen, Bäume und Tiere aller Arten.
Pferde, Rinder, Hirsche, Elche, Schlangen, Vögel, ferner Symbole wie Sonnenräder, Fußsohlen, Radzeichen und Kreise, oft scheinbar willkürlich und nebeneinander gelagert".



Zur Klassifizierung der nordisch-bronzezeitlichen Felsbilder

"Unter den verschiedenen Elementen, aus denen sich die Felsbilder zusammensetzen, kann man folgende Hauptgruppen unterscheiden:
  1. symbolische Zeichen, wie z.B. Schalengruben, Fußspuren (die die Gegenwart Gottes bedeuten), ferner heilige Bäume, Sonnenräder und andere Sonnensymbole, Boote als Fahrzeuge des Sonnengottes, Äxte als Symbol des Blitzes und Schwerter, die wahrscheinlich demselben Zwecke dienten.
  2. Kultszenen, festliche Aufzüge widerspiegelnd, in denen man verschiedene der eben aufgeführten Zeichen wie Sonnensymbole, Boote, Bäume, Waffen u.a. verwendet hat.
  3. Aufzüge sind oft auf Kultschiffen oder in der Nähe von solchen dargestellt. Die Waffen werden teils in Prozessionen umhergetragen, teils bei rituellen Kämpfen verwendet, bei denen man auf symbolische Weise den Kampf der Himmelsmächte zum Ausdruck brachte. Die Fußspuren haben hier ihr Äquivalent zu dem in der Prozession einhergeführten Götterbild. Hierher gehören ferner ganze Opferszenen als auch einzelne Opfertiere, rituelle Pflugzeremonien, Kultwagen, Lurenbläser, Tänzer sowie Prozessionsgruppen und Adoranten (Anbetende mit erhobenen Händen).
  4. Übergangsformen zwischen a und b, bei denen die symbolischen Zeichen am stärksten betont erscheinen, wohingegen die handelnden Personen nur ganz schematisch angedeutet sind.
  5. Einige symbolische Zeichen, die, da sie ev. eine Personifikation der Symbole selbst enthalten, sind von der vorigen Gruppe zu unterscheiden.
  6. Szenen und Gestalten, die denen unter b ausgeführten ähnlich sehen, aber unter gewissen Umständen Veränderungen erfahren haben. Hierher gehören wohl zunächst einige in Kultaufzügen auftretende Götterbilder, die ein lebensvolleres Gepränge zeigen, als man sonst bei den anthropomorphen (menschenähnlichen) Kultbildern dieser Zeit voraussetzen kann.
  7. Dasselbe gilt auch in noch höherem Maße von gewissen, mitunter sehr großen Figuren, die anscheinend Götter darstellen und deren Begleitfiguren fast ausschließlich aus Symbolen bestehen. Möglicherweise gehören ferner zu dieser Gruppe die in einigen Szenen vorkommenden Männer, deren Rumpf die Form eines Sonnensymbols aufweist, sofern man nicht annehmen muss, dass in den Kultaufzügen Männer aufgetreten sind, die in irgendeiner weise als Sonne gekleidet waren.

Es ist natürlich unmöglich, zwischen den einzelnen Gruppen scharfe Grenzen zu ziehen und die verschiedenen Felsbildfiguren ganz genau auf einzelne Klassen zu verteilen.
Im großen und ganzen können wir die hauptsächlichen Bildarten unserer Bronzezeitbilder auf drei reduzieren:
Symbolische Darstellungen, Kultszenen und mythische Darstellungen.
Der erste Bildtypus ist offenbar der primäre, wahrscheinlich schon zur Steinzeit entstanden und hat die weiteste Verbreitung gefunden".

Soweit die Ausführungen von Oscar Almgreen aus "Nordische Felszeichnungen als religiöse Urkunden" 1934, S. 275 ff.

Die Tatsache, dass es ungemein schwer ist, auch nur ein Bild in hartes Gestein einzumeißeln, sagt uns, dass es nur berufenen oder Priester-Künstlern erlaubt und technisch möglich war, allerwertvollstes Gedankengut sowie wichtige astronomische Erkenntnisse dieser frühen Menschen für sich und ihre Nachfahren in Stein festzuschreiben.


Zur Datierung

"Die Frage der Datierung der bronzezeitlichen Felsbilder Skandinaviens ist verhältnismäßig leicht zu klären durch zahlreiche Darstellungen von Gegenständen wie Äxten und Schilden, zu denen sich in Ausgrabungen – wie z.B. in Himmelstalund – Parallelen finden. Auch die Schiffsbilder sind eine gute Hilfe zur Zeitbestimmung, denn auf den Rasiermessern der Bronzezeit kommen ebenfalls Schiffe vor (4. und 5. Periode), die in genau der gleichen Form auf den Felsen wiederkehren. Auch einige wirkliche Schiffe sind ausgegraben worden, die den gleichen Typ zeigen, wie er auf den Felsbildern lebt.
Es ergab sich, dass nur wenige Bilder in die Periode 1 der Bronzezeit (1600-1400) gehören und es sind besonders jene, die kenntlich sind durch Äxte, Dolche und einfache Schiffstypen.
Die Periode 2 (1400-1200) weist auf geschäftete Bronzeäxte, Spiralen, eine bestimmte Art von Schwertern und Schiffe mit durchgebildetem Vordersteven auf, sowie Sonnenräder und Menschen mit Symbolen.
Die Periode 3 (1200-1000) zeigt Beile und Schwerter, und ist zu datieren durch ein nordisches Griffzungenschwert, das in Ägypten gefunden wurde.
Der weitaus größte Teil der Bilder fällt in die Periode 4 (1000-900) und 5 (900-750) und zieht sich hin bis ins 4. christliche Jahrhundert.
So können wir sagen, dass der Schwerpunkt dieser überaus bedeutsamen Bildkunst zwischen 1400 und 750 v. Chr. anzusetzen ist."

Diese Datierung von Herbert Kühn in seinem Buch "Die Felsbilder Europas" entspricht fast ausnahmslos dem heutigen Stand der Forschung.


Bearbeitungsweisen

Zur Bearbeitung und Gravierung des sehr harten Granit-Urgesteins wurde in der ausgehenden Jungsteinzeit bis zur älteren Bronzezeit (ca. 2000-1600 Ante) zweifellos mit Stein auf Stein gepunzt, während in den folgenden Metallzeiten zunehmend auch Metallwerkzeuge Verwendung fanden.
Ob Ätzungen mit Pflanzensäuren im Norden infrage kommen, ist eher unwahrscheinlich, konnte jedoch in südlicheren Regionen, wie z.B. im Valcamonica/Italien mit Sicherheit nachgewiesen werden.


Kalendarisches

Der Mensch des Nordens, den wir im Zusammenhang mit der Aussage seiner Felsbilder als "Homo Religiosus" bezeichnen möchten, begann zur Wintersonnwende – wie wir auch heute noch – das jeweils neue Jahr, als Neuschöpfung Gottes.
Aufgrund seiner geographischen Lage ist er in die Zweiteilung des Jahres eingebunden: in eine helle und eine dunkle Jahreshälfte. Zur Wintersonnwende und bes. nach Ende der dunklen Jahreshälfte in Kälte und Nacht wurde der Lichtstrahl der steigenden Sonne genau beobachtet und mit Schattenstäben gemessen, rituell begleitet und in Festen begangen.
Die Verehrung der Gestirne und besonders der Sonne, des lebensspendenden Zentralorgans, nahm einen uns heute unvorstellbar großen Raum ein und fand in religiösen Kulten sinnfälligen Niederschlag. Die Sonne als höchste Repräsentanz der göttlichen Urschöpferkraft ging später ins Christentum ein als Sun = Sonne und San = Sohn (son im Englischen).
Die Sonne als ewig gleichbleibendes Gestirn bestimmt die kurzen Rhythmen von Tag und Nacht, woraus sich der Jahresablauf mit 365 Tagen ergibt. Der Mond hingegen gilt als Maßstab für kürzere Perioden. Allein seine 27 Stellungen eines Monats sowie der zunehmende, abnehmende und Neumond waren von großer Bedeutung für den bronzezeitlichen Menschen.

In diesem Zusammenhang spielen m.E. die sog. "Schalensteine" eine wichtige Rolle, sind sie doch wegen der Häufigkeit ihres Vorkommens in ihrer Bedeutung bis heute noch nicht eindeutig zu erklären und gehören zu den rätselhaftesten und ältesten Zeichen.
Zu allen gekannten Hypothesen und Meinungen möchte ich meine eigene Idee hinzufügen, die mir während der Teilnahme an einem Ostersamstag-Ritual in einer katholischen Kirche gegeben wurde:
Nach zweitätiger Stille, wenn auch das ewige Licht gelöscht ist, wird im katholischen Ritus in der Nacht zum Ostersonntag vor der Kirche ein neues Feuer entzündet und mit einer großen Kerze in die völlig dunkle Kirche getragen. Davon nun die Flamme an alle Gläubigen verteilt, so dass alsbald der gesamte Raum vom Licht sehr vieler Kerzen erleuchtet ist.
Diesen heute noch lebendigen Brauch hatte ich plötzlich lebhaft in Erinnerung beim Betrachten einer Felsbildplatte, die übersät war mit diesen Näpfchen; und ich wusste: zu Beginn eines neuen Jahres wurde die neue Flamme durch Bohrung in den Stein erzeugt, weitergetragen und gehütet, bis das Jahr zuende ging und das Feuer erloschen war.
So kann man an der Vielzahl der Schalengruben auch die Jahre zählen, in denen dieser Brauch eben an diesem Ort vollzogen wurde.
Das schönste Beispiel einer Kalenderordnung gibt uns die "Kalenderscheibe von Fossum" bei Tanumshede: Ein Jahresring ist umgeben mit runenähnlichen Zeichen für die Jahresfeste: Oben am Kreis befindet sich das Zeichen der geteilten Jahre, rechts davon das große Fußpaar des "Jahresgottes", der zum Jahresbeginn seinen Lauf antritt, um ihn nach Umrundung der Scheibe zu vollenden.
Die Einteilung des Raumes ist durch das Linienkreuz = Radkreuz bekannt. Die vier Himmelsrichtungen sind das Symbol der Erde, die somit der Zahl Vier untersteht.
Die Einteilung der Zeit ergibt sich aus den drei Mondphasen, wodurch die Zahl Drei als Symbol für die Zeit steht. Auf dem großen Felsen Kasen befindet sich eine Figur mit großen erhobenen Händen, deren eine vier Finger und die andere drei Finger aufweist: Diese Gestalt repräsentiert somit den "Herrn des Jahres", der über Raum und Zeit herrscht.


Zur Felsbild-Symbolik

"Längst ehe der Mensch lernte in Begriffen zu denken, erlebte er die Welt in Bildern. Diese Bilder hatten für ihn dieselbe Beweiskraft wie die Ergebnisse unserer heutigen Logik. Ja, dieses Denken in Bildern, das man besser als "Schauen" bezeichnen kann, rührt an Tiefen, die wir mit bloßer Logik nicht erfassen können. Das urtümliche Denken trennte nicht "Ich" und "Umwelt", nicht Leib und Seele, nicht Idee und Stoff.
Das Sinnbild ist daher keine phantasievolle Konstruktion, keine Versinnlichung einer Idee, sondern die Gestalt gewordene Idee selbst".
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Ein echtes Symbol steht in Kleinform für etwas Höheres, Größeres, als sinnfälliges Wahrzeichen und als Ideogramm. Als ein Ideogramm für etwas, was in Worte nicht zu fassen ist und aus dem Reich des Geistigen in die Materie hereinragt. Die grundlegende Voraussetzung zum Verständnis des Begriffes "Symbol" von gr. Symbolon = Zusammenwerfen ist die Tatsache, dass dasselbe immer einen "Innenaspekt" und einen "Außenaspekt" hat, die beide sich in ihrer jeweiligen Form und Aussage ergänzen.
Der "Innenaspekt" betrifft das dem Auge nicht sichtbare geistige Urbild, der "Außenaspekt" bezieht sich auf das dem Auge nicht sichtbare, Mainfest gewordene materielle.

"Das Reich der Symbolik nimmt einen weitaus gewichtigeren Platz ein, als gemeinhin angenommen wird. Die Symbolik gründet archaisch im All und im Menschen. Die im Urgrund liegenden und in den Gesetzen des Alls erschauten Symbole grub der Mensch an seinen Kultstätten in die irdische Materie ein. Im Laufe der Jahrtausende haben diese Symbolformen Wandlungen, Ausweitungen und Auswechslungen erfahren, aber die ihnen zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten sind gleich geblieben. Denn so wie die göttlichen Gesetze unwandelbar sind, so dürften auch die archaischen Formen der Symbole gleich geblieben sein. Besonders die Lichtsymbole dienten in alten Kulten, wie auch heute noch, als Helfer zur Erlangung des Einklangs mit dem Göttlichen".
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Bemerkungen und Literaturangaben

Alle Zeitangaben im Artikel entsprechen den konventionellen Vorstellungen der Historiker. Heute wissen wir, dass diese Vorstellungen einer künstlich verlängerten Zeitskala entsprechen (Redaktion)

1) Die heutige Bundesstraße 1 von Aachen nach Königsberg entspricht dem früheren Weg der Eisgrenze entlang
2) Hermann Wirth "Urheimat und Weg des Kulturmenschen". Jena, 1913
3) Ennen / Jannsen / Steiner "Deutsche Agrargeschichte" 1979, S. 20
4) H. Wirth "Europäische Urreligion und die Externsteine" 1972, S. 23 u. 24
5) Herbert Kühn "Die Felsbilder Europas", S. 157
6) Rohrbach "Felsbildkatalog" 1979. Zitat Schliephake
7) Engler "Die Sonne als Symbol" 1962, S. 14