Uwe Topper, Berlin
Kann Chinas Geschichtsschreibung als Prüfstein für oder gegen Illigs Mittelalterkürzungsthese angeführt werden?
Vorbemerkung
Heribert Illig hat gleich zu Beginn (1991), als er seine überraschende These von der Kürzung des Mittelalters um rund 300 Jahre vorstellte, hervorgehoben, daß diese Kürzung auch für alle anderen Kulturbereiche gelten müsse, ganz besonders für Zivilisationen mit hochentwickelter staatlicher Geschichtsschreibung, wie sie in Arabien, Persien und China vorgenommen wurde. Er zeigte schon zu jenem Zeitpunkt die grundsätzlichen Wege, die bei der Detailarbeit einzuschlagen wären. Seinen Anregungen folgend habe ich einige Hinweise im außereuropäischen Bereich gefunden und (1994-96) in Zeitensprünge veröffentlicht. In einem Rundgang untersuchte ich das islamische Andalusien und den Maghreb, den islamischen Orient unter besonderer Berücksichtigung von Persien, und Indien. In allen Gebieten war es entweder nicht auszuschließen, daß Illigs These Chancen auf Verifizierbarkeit hat, oder sie wurde geradezu bestätigt, wie ich am Beispiel Persien zeigen konnte. Den Abschluß dieses Rundweges sollte der Ferne Osten mit Schwerpunkt China bilden.
Der Text für China, Tibet und Japan war im Februar 1997 fertiggestellt und ging an Illig zum Druck ab, doch kurz darauf rief ich - gewarnt durch einige Fachleute - den Artikel zurück und machte mich erneut an die Nachprüfung. Im islamischen Bereich und selbst in Indien hatte ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrung und durch mein Studium ein relativ sicheres Urteil fällen können, für China trifft das nicht zu. Ich kann kein Chinesisch und war nie im Reich der Mitte. Für meine Untersuchung hatte ich nur Sekundärliteratur verwendet, etwa zwei Dutzend Werke europäischer und amerikanischer Sinologen vom 17. Jahrhundert bis heute.
In Diskussionen mit Sinologen, die alle von der Unsinnigkeit der Illigschen These überzeugt sind, konnte ich das Material zwar filtern, aber keine Zustimmung erlangen. Wenn ich nun doch eine Kurzfassung - also nur den grundsätzlichen Gedankengang - in diesem Vortrag vorstelle, bin ich mir darüber im klaren, daß ich mich auf Glatteis begebe. Die europäischen Sinologen sind sich nämlich völlig darin einig, daß die heute benützte chinesische Chronologie durchgehend belegt und über jeden Zweifel erhaben sei, und zwar spätestens ab Herbst des Jahres 841 v.Ztr., wobei "nicht ein Tag ausgelassen" ist. Zumindest liegen für jedes Jahr Annalen vor (Moule 1957). Die beiden heute benützten Synopsen, die durch europäisierte Chinesen 1905 (Tchang) und 1910 (Hoang) erstellt wurden, verzeichnen für jeden chinesischen Kalendertag einen christlichen Kalendertag, wobei die Zweifel oder Abweichungen minimal sind. Eine Standardausgabe der chinesischen Geschichte in 5 Bänden mit über 9000 Seiten bringt ein felsenfestes Chronologiegerüst (mit unseren christlichen Jahresangaben), das im Vergleich zur Geschichtsschreibung anderer Hochkulturen eine eherne Meßlatte genannt werden kann. Dennoch: mit Illigs beiden Grundforderungen ausgerüstet, läßt sich auch dieser Koloß zerbrechen, nämlich mittels Überprüfung der Quellen auf ihre Echtheit und der Frage nach der Zuordnung von Ereignissen in parallelen Zeitsystemen.
Einen ersten Riß erhält die wasserdichte chinesische Herrscherdatierung schon im Jahr 213 v.Ztr., als auf Befehl Kaiser Shi-Huangs alle greifbaren Dokumente verbrannt und durch völlig neugeschriebene Annalen ersetzt wurden. Damit dürfte der vor dem angeblichen Jahr -213 liegende Zeitraum zur Legende geworden sein. Auch später hat es an Zerstörungen und Neuschreibungen nicht gefehlt. Bekannt ist, daß im Jahr 104 v.Ztr. eine grundsätzliche Kalenderreform durchgeführt wurde. Ein Geschichtswerk der Sung-Dynastie setzt aber den Neubeginn der geordneten Zeitrechung mit 403 v.Ztr. an. Der Abstand zwischen beiden Daten beträgt 299 Jahre. Könnte das schon ein Hinweis auf den Sprung sein?
1. Querverbindungen
Wir stellen uns das Reich der Mitte mit seinen natürlichen Grenzen vor: ein beinahe quadratisches Riesenreich, das von Meeren, Steppen und Hochgebirgen beschützt mit sich selbst stets genug zu tun hatte und auch kaum Interesse an den "barbarischen" Nachbarn zeigte. Das Problem stellt sich so: Gibt es Dokumente, die eine Querverbindung zu den anderen Hochkulturgebieten beiderseitig bestätigen? Wir wissen zwar, daß sich römische Kaiser und Gotenfürsten in chinesische Seide kleideten, und daß China persische Zuchtpferde einführte, aber über den Austausch liegen keine Quellen vor. Hirth (1885, S.304) hat speziell nach Berührungspunkten zwischen chinesischer und abendländischer Geschichtsschreibung geforscht und stellt erstaunt fest, daß zwar Botschafter von China nach Rom und umgekehrt unterwegs waren, jedoch stets nur an ihrem Ankunftsort vermerkt wurden, nicht bei ihrer Absendung und nicht bei ihrer Rückkehr. Eine Ausnahme in den chinesischen Annalen bildet ein gewisser Kan Ying, der im Jahr 98 u.Ztr. der erste gewesen sei, der so weit westlich wie Rom gelangt sei. Dann waren die von Kaiser Augustus empfangenen Chinesen entweder keine offizielle Gesandtschaft oder sie schafften den Heimweg nicht, oder es liegt eine zeitliche Verschiebung der beiden Ereignisse um rund ein Jahrhundert vor. Alle übrigen Hinweise auf Querverbindungen sind noch diffuser.
Erst in den Chroniken der Tang-Zeit - wir merken auf - findet Hirth (S.293) interpretierbare Angaben. "Nachdem die Ta-Shi (wir würden heute Tadschiken sagen, jedenfalls Moslems) die christlichen Länder erobert hatten, schickten sie ihren General Mo'i aus, um deren Hauptstadt (man denkt an Byzanz) zu erobern. Man einigte sich auf freundschaftliche Beziehungen und Tributzahlungen in Form von Gold und Seide. In der Folgezeit wurden die Christen den Moslems untertan." Hirth identifiziert General Mo'i mit dem Omayyadenchalifen Mu'awiyya, der nach der bisher üblichen Chronologie ab 661 Herrscher des gesamten Orients war und ein restbyzantinisches Reich duldete. Im selben Zusammenhang werden vier islamische Gesandtschaften an den chinesischen Kaiserhof vermerkt. in den Jahren 643, 667, 701 und 719. Wenn wir uns an die Korrektheit der ermittelten chinesischen Jahreszahlen halten könnten, wäre hier ein Hebel anzusetzen, um Illigs These zu widerlegen.
Aber schon die nächste Nachricht macht alles wieder zunichte. In der "Jüngeren Tang-Chronik" (nach 1060) taucht direkt im Anschluß an den dort wiederholten Satz über General Mo'i der Name eines anderen islamischen Herrschers auf, der 1081 eine Mission an den chinesischen Hof geschickt habe. Es ist Mieh-li-sha, und dieser wird von Hirth mit Malik Schah von Iran gleichgesetzt, was einleuchtet. Die Kontakte zwischen den beiden mächtigen Nachbarstaaten waren also in den ersten 70 Jahren islamischer Herrschaft recht häufig, setzten dann für 300 Jahre aus und begannen danach erneut, ohne wieder abzureißen. Das macht auf mich denselben Eindruck wie die von Illig, Zeller und mir schon mehrfach über den Iran berichtete Verschiebung: Auf die Omayyaden folgen die Buyiden, auf das 7. Jahrhundert folgt das 10.
Wer hat die Tang-Chroniken beeinflußt oder chronologisch geordnet?
2. Der Roman von den Tang-Kaisern
Der eigentliche Zeitabschnitt, um den es in unserer Suche geht, ist ausgerechnet deckungsgleich mit der chinesischen Tang-Zeit, der glanzvollsten Epoche der chinesischen Hochkutltur. Sie dauerte von 618 bis 907, also praktisch genau so lange, wie der von Heribert Illig im abendländischen Mittelalter herausgeschnittene Zeitraum (614 bis 911). Fast wie ein monolithischer Block ragt diese Tang-Dynastie und ihre kulturelle Blüte aus der sonst von Wirren und Kämpfen zerrissenen Geschichte Chinas heraus. Zwar gibt es eine kurze Episode eines Aufstands mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen, auch Kämpfe mit den türkischen Nachbarn fehlen nicht, aber im Vergleich zu den anderen Dynastien ist die Tang-Zeit ein Muster an Frieden und Pracht. Diese Periode in Frage zu stellen, sagte mir ein Sinologe, hieße, China selbst zu bezweifeln. Suchen wir jedoch nach konkreten Dokumenten, dann wird alles brüchig.
Moderne Kunstbände können praktisch kein einziges echtes Gemälde jener Zeit vorweisen; es gibt nur Kopien aus späterer Zeit, die angeblich Meister der Tang-Zeit nachahmen. (Außerdem kennen wir Fresken aus den westlichen Randgebieten, die in diesen Zeitraum datiert werden, was aber völlig unsicher ist).
Im Kunsthandel berühmt sind die Grabfiguren der Tang-Zeit, von denen Tausende herumschwirren, ohne daß deren Fundorte oder Herstellungszeit bekannt wären. Alle besseren Museen in China und der gesamten Welt besitzen Sammlungen dieser anmutigen bemalten Tonfiguren, die einfach aufgrund ihres einheitlichen Stils als "Tang" eingestuft werden. Archäologische Untersuchungen über ihre Herkunft gibt es nicht und sind auch vorläufig aussichtslos, wie Thilo (1992, S. 74) ausdrücklich feststellt. In derselben Fachzeitschrift aus Dresden hat sein Kollege Krüger (S. 55) chinesische Amulette untersucht und zwar unter dem Gesichtspunkt, "als alleiniges Ordnungsprinzip den chronologischen Aspekt" anzuwenden. Er stellt Münzamulette aus praktisch allen Epochen der chinesischen Kultur vor, von der Zeit der Streitenden Reiche ( 5.-3. Jh. v.Ztr.) bis zur letzten Dynastie vor der modernen Republik. Selbst die "Späten Tang", hier durch die letzte dieser fünf Nachzüglerdynastien (951-960), sind vertreten, aber die großen Tang glänzen durch Abwesenheit. Bei diesen Glücksbringern handelt es sich nicht um Zahlungsmittel, sondern um Nachahmungen von Münzen, die zu jedem späteren Zeitpunkt hergestellt sein können, wobei als Vorbilder gerne die Glanzzeiten der chinesischen Kaiser gewählt wurden. Die Tang gehörten offensichtlich nicht dazu.
Den Tang-Kaisern und ihren Hofleuten und Konkubinen werden Gräber zugeordnet, von denen aber bis heute nur ganz wenige ausgegraben sind. Die archäologische Arbeit hat in China gerade erst begonnen, und es gibt dringlichere Aufgaben, als bekannte Grabstätten zu öffnen. Fast alle archäologischen Tätigkeiten im heutigen China sind Notgrabungen, die bedrohte Zufallsfunde schützen sollen. Außerdem gibt es praktisch keine Ausgrabungsberichte in westlichen Sprachen, abgesehen von kurzen Zusammenfassungen in Englisch am Schluß der chinesischen Grabungsberichte (diesen Hinweis verdanke ich Manfred Zeller).
Wenn wirklich einmal ein greifbares Fundstück von den Tang zeugt, verdoppelt sich das Problem sogleich. Das berühmte Reiterrelief, das den Kaiser Tai-tsung (625-649) darstellt, den Sohn des Gründers der Dynastie und Glanzfigur aller Tang, wird von einigen Kunstkennern als Fälschung angezweifelt. Ich kenne das Relief nur von Fotos, aber wenn Fachleute einen derartigen Verdacht aussprechen, dann ist er erfahrungsgemäß auch berechtigt. Schauen wir uns das Bild genau an, dann wird die zeitliche Einordnung fragwürdig, denn der junge Kaiser sitzt mit Steigbügeln zu Pferde, und die kamen nach Europa erst rund 300 Jahre später durch die "Ungarn"-Stürme. Militärische Neuerungenn von derartiger Tragweite pflegen sich jedoch in einer Generation auszubreiten. Und ganz abgesehen davon: Sämtliche bemalten Grabfigürchen der Tang, die gesattelte Pferde darstellen, sind noch ohne Steigbügel, auch ein ganzes Jahrhundert nach Tai-tsung.
Es gibt eine berühmte Lyriksammlung der Tang-Zeit, die aber erst 1763 herausgegeben wurde; die genau 300 Strophen sind streng konfuzianisch im Gehalt (wir merken uns das für später). Im Nachwort zur deutschen Ausgabe sagt Klöpsch (1991): "Das 7. Jahrhundert erlebte eine der größten militärischen Expansionen der chinesischen Geschichte. Die Truppen der Tang-Kaiser drangen bis weit nach Zentralasien vor, standen vor Bagdad und kämpften im nördlichen Indien." Ob Klöpsch weiß, wie weit Bagdad von der damaligen chinesischen Grenze entfernt liegt und was sich dort nach offizieller Geschichtsschreibung abgespielt haben soll? (daß nämlich die Araber bis weit in den Ostiran gedrungen sein sollen und Städte wie Buchara und Merw besetzt hatten). Klöpsch - oder sein chinesischer Gewährsmann - überspringt mit seinen Märchensoldaten einen Raum, der in Europa von Odessa bis Lissabon reichen würde.
Die Hauptstadt der Tang, berichtet Klöpsch weiter, war ein ummauertes Geviert von 9,7 km Länge und 8,2 km Breite, in dem 2 Millionen Menschen wohnten, unter ihnen eine große Anzahl Ausländer. Weltoffenheit, Toleranz und ein Handel ohne Grenzen hätten das Leben dort bestimmt. Müßten wir nicht auch durch Dokumente davon Kenntnis haben? Archäologisch ist leider nichts davon übrig geblieben.
Offensichtlich aus derselben Quelle schöpfte schon der Franzose Gernet (1972, S. 202 f) und fügt noch den Bericht über zwei ebenfalls riesige Nebenhauptstädte hinzu. Sie seien schon unter der vorherigen Dynastie, den Sui, erbaut worden, die auch die Binnenschiffahrt durch Ausbau der Kanäle gefördert hatten. Mit gewaltigen Anstrengungen schufen sie schon um 600 das wirtschaftliche Gerüst Chinas für das 7. bis 9. Jahrhundert (S. 205). Da blieb den Tang zum Glück keine Arbeit mehr. Auch an der Großen Mauer, an der alle Dynastien ihren Anteil hatten, haben die Tang während ihrer 300-jährigen Geschichte nicht gebaut.
Haben wir etwa in China eine so glanzvoll erfundene Epoche wie die der Karolinger in Mitteleuropa? Haben vielleicht beauftragte Historiker der nachfolgenden Sung-Dynastie Romane verfaßt, um der eigenen Herrschaft ein prachtvolles Fundament zu geben? Oder ist der Vorgang noch später erfolgt, parallel zur christlichen Geschichtsschöpfung?
3. Astronomie
Seit der sagenhaften Frühzeit beschäftigten sich die chinesischen Schriftkundigen mit Astronomie, wobei mystische oder religiöse Ziele oft der Hauptantriebsgrund waren. Es ging nicht so sehr um Kalenderfragen wie zum Beispiel den Aussaatbeginn für die Bauern, sondern meist um horoskopartige Festlegung von günstigen und ungünstigen Tagen, was alle Menschen betraf, vom Kaiser bis zum Kuli, und alle Lebensbelange, vom Hausbau bis zum Tanzvergnügen. Ein dafür angestellter Stab von Beamten legte jeweils zu Jahresbeginn die Voraussagen fest. Wenn sie ungenau waren oder eine Sonnenfinsternis vergaßen, glaubte das Volk, daß der Kaiser unfähig sei, denn als Abgesandter des Himmels hätte er es besser wissen müssen.
Leider sind aber die Notizen in den Chroniken kaum brauchbar, da sie fast nie echte Beobachtungen mitteilen, sondern errechnete Daten.
Im 11. Jahrhundert erlebte die islamische Welt einen enormen Aufschwung der astronomischen Wissenschaft, aber erst mit der Durchdringung des chinesischen Inlands 1273 durch Sayyid-i-Adschall aus Buchara (unter Kublai Chan) begann die islamische Einflußnahme auf den chinesischen Kaiserhof. Etwa 1351 beginnt auch dort die Neuordnung der Chroniken durch islamische Beamte, die als Kalenderreformatoren wirkten. Dieses Datum ist überaus bedeutungsvoll, denn - wie Christoph Marx uns seit Jahren klarzumachen versucht - ist vier Jahre vorher, 1347, der "letzte große Ruck" passiert, und wir können alle Kalenderdaten, die davor liegen, als rückprojizierte Erfindungen ansehen. So auch in China, oder gerade dort, denn das Unglück ist vermutlich irgendwo am Westrand Chinas geschehen, vielleicht in der Takla Makan-Wüste, die einst blühendes Kulturland gewesen war.
Als einen der Gründe für den Untergang der Ming-Dynastie und den Selbstmord des letzten Kaisers gibt man an, daß seine Hofastronomen unfähig waren, den Kalender korrekt zu handhaben. Offensichtlich hatten die Moslems, die dafür verantwortlich waren, ihre Arbeit in den letzten Jahren nur flüchtig verrichtet, denn Kalender und Finsternisse stimmten nicht mehr.
Während der letzten Ming-Kaiser begannen die Jesuiten ihre Mission in China. Es war eine hochintellektuelle Gruppe von Männern aus ganz Europa, die unter dem diplomatischen Schutz Portugals, aber dennoch unter ständiger Lebensgefahr, den katholischen Glauben ausbreitete. Wegen ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten auf den Gebieten Mathematik, Landvermessung und Astronomie genossen sie die Achtung der adligen Chinesen und wurden auch als Berater an den Kaiserhof berufen. Einer der ersten war der adlige Italiener Matteo Ricci, der 1583 nach China gereist war.
4. Der Nestorianer-Stein
Etwa 1625 fanden Bauarbeiter in der früheren Hauptstadt Hsi'an-fu (=Chang'an) eine Steintafel, auf der in zwei Sprachen - in Syrisch und Chinesisch - zu lesen war, daß im 7. und 8. Jahrhundert, also während der Tang-Zeit, die christliche Mission in China schon erfolgreich gewesen war. Der etwa 3 m hohe Stein wog rund 2 Tonnen und trug 1789 chinesische Schriftzeichen sowie an beiden Rändern syrische Wörter, hauptsächlich Namen von Missionaren.
Ein Jesuit war glücklicherweise zur Stelle und brachte den Fund (oder nur die Abschrift?) dem Jesuitenpater Trigault in Peking, der nach eingehender Prüfung die Echtheit der Inschrift bestätigte. Da wurde ein Missionar O-lo-pen genannt, der 635 nach China gekommen war und Gemeinden gegründet hatte. Es ist auch von Christenverfolgungen in den Jahren 699 und 713 die Rede, von Kirchenbauten und Schenkungen seitens des Kaisers, von freundlichen Beziehungen zu buddhistischen Priestern usw. Die Tafel war 781 aufgestellt worden und ihre Wiederentdeckung hob das Prestige der Kirche gewaltig, vor allem deshalb, weil der Text den katholischen Bibelkanon gegenüber dem nestorianischen bestätigte.
Voltaire (in seinen "Briefen über China") und mit ihm viele andere europäische Gelehrte lehnten den Text vehement als Fälschung ab. Das Grundmuster ist typisch katholisch; Märtyrer und kaiserliche Schenkungsurkunden sind ja der ganze Stolz der Kirche im Abendland. Hinzu kommt, daß die Zwei-Naturenlehre, wie sie die katholische Kirche gegenüber der nestorianischen Ein-Naturenlehre vertritt, auf dem Stein klar zum Ausdruck gebracht wird, wie auch die 27 Bücher des katholischen Neuen Testaments gegen die viel kürzere syrische Peschitta betont werden. Es ist ja bekannt, daß neben dem Buddhismus aus Indien das nestorianische Christentum über Persien nach China gelangte und dort längere Zeit hindurch gepflegt wurde. (Sir Aurel Stein und Paul Pelliot fanden zahlreiche Zeugnisse dafür und brachten sie nach Cambridge und Paris). Gegen diesen Konkurrenten aus dem eigenen Hause mußten die Jesuiten Stellung nehmen. (Hierzu Saeki 1916 u. 1951).
Übrigens sind die Fundumstände des Steines reichlich merkwürdig. In chinesischen Texten gibt es keine Hinweise dazu, und der Portugiese Emmanuel Diaz, der 1641 (oder 1644) eine chinesische Abhandlung darüber schrieb, ist sich nicht sicher, wann und wo der Stein gefunden wurde, nimmt aber 1623 bis 1625 an. Der Fundort bewegt sich im Umkreis von 40 engl. Meilen. Man erzählte gleich eine christliche Auffindungslegende dazu, mit einem typischen Schneewunder, das ein alter Bauer erlebt haben will ...
Da die Inschrift kaum verwittert war, legte man fest, daß der Stein nach seiner Aufstellung 781 nur 64 Jahre oberirdisch gestanden habe; ab 845 sei er vergraben gewesen. Im 19. Jahrhundert stellte der französische Sinologe Stanislas Julien noch einmal fest, daß es sich um eine Fälschung handeln müsse, und sein Kollege E. E. Salisbury von der Yale-Universität hielt dies für die seinerzeit allgemeingültige Ansicht. Wie es kommt, daß die Stele heute wieder als echtes Dokument geführt wird, bleibt wohl ein Rätsel. 1908 wurde eine Imitation für das Metropolitan Museum of Art in New York hergestellt und eine Kopie dem Vatikan überreicht. Das Original befindet sich wieder in Hsi'an, seit 1907 steht es im Stelenwald des Museums.
Ich erspare mir, auf den recht krausen Text (mit verschlüsselten Anklängen an Bergpredigt und Korintherbrief, Taufe und Himmelfahrt, aber fehlendem Kreuzestod) näher einzugehen, möchte nur auf einen weiteren Schnitzer hinweisen: Während in nestorianischen Texten in China der Heilige Geist mit "kühler Wind" wiedergegeben wird, heißt dieser flüchtige Teil der Dreieinigkeit auf der Stele "reiner Wind". Im übrigen sind die Anklänge an buddhistische und islamische Begriffe auffällig; "Alaha" (für Gott) und "Satan" werden phonetisch umschrieben, die Mönche heißen "Arhat" (buddhistisch), und das Christentum wird als Buchreligion bezeichnet. Das alles klingt viel zu gelehrt, um ins 8. Jahrhundert zu passen.
(Eine Zwischenfrage, die leider in der anschließenden Diskussion nicht gestellt wurde, aber bei den Gesprächen am selben Abend aufkam, soll hier erwähnt werden: Warum haben diese Gelehrten den Stein überhaupt hergestellt? Nun, ich denke, sie konnten nicht wissen, daß wir Spätergeborenen mit den Nestorianern keine Probleme mehr haben würden. Sie selbst trafen offensichtlich noch auf chinesische Nestorianergemeinden und mußten sich dagegen abgrenzen. Durch die Entdeckung des Steines stieg die Zahl der katholischen Christen in der Gegend von Hsi'an um das Vielfache!).
5. Die Jesuitenmission
Trigault hatte einen hochbegabten jungen Mann aus Köln, Adam Schall, 1622 nach China mitgebracht, der ab 1640 Chef der Mission in Peking wurde. Als außergewöhnlicher Mathematiker und Astronom wurde er von den chinesischen Gebildeten bewundert und gefördert. Der erste Kaiser der gerade 1644 an die Macht gelangten Mandschu-Dynastie, Schuntschi, ließ sich häufig von Pater Schall beraten, und bei der Thronbesteigung des jungen Nachfolgers, Kang Hsi, wurde er dessen Mentor. Damals entspann sich ein Streit um die Fortsetzung der Kalenderarbeiten, wobei Schall die Unfähigkeit der islamischen Beamten demonstrierte, indem er eine Sonnenfinsternis mit größter Genauigkeit voraussagte. So wurde er Günstling des Mandschu-Kaisers und Chef der Kalenderkommission. In dieser Machtstellung ordnete er Kalender und Chroniken Chinas nach den neuesten Gesichtspunkten. Das Ergebnis legte er 1662 in Chinesisch (und zwei Jahre später in Latein) vor. Zu diesem Zeitpunkt wurde er mit drei seiner Jesuitenbrüder der schwarzen Magie und Verunehrung des Konfuzius angeklagt und zum Tode verurteilt. Am Tag vor der Hinrichtung ereignete sich ein starkes Erdbeben, weshalb der Kaiser ihn begnadigen konnte. Nach seinem Tod 1666 wurde er offiziell rehabilitiert. Dann übernahm Ferdinand Verbiest aus Belgien die Führung und leitete die Mission bis zu seinem Tod 1688. Die Schicksale dieser Männer sind ungemein spannend, aber ich werde hier abkürzen.
Insgesamt hatten die Jesuiten 170 Jahre lang die Leitung des kaiserlichen astronomischen Büros inne und konnten sich außer der Verbreitung des Katholizismus auch zahlreichen wissenschaftlichen Aufgaben widmen. Sie wirkten als Geographen und Geschichtsforscher, verbreiteten moderne technische Geräte und betätigten sich politisch, indem sie die Kaiser in ihren Verhandlungen mit Rußland berieten, das allmählich zum wichtigen Nachbarn an der Nordgrenze wurde.
Die meisten dieser Missionare schrieben Chinesisch. Schall hatte 150 Traktate über Meßwesen, Planetentheorie und Teleskopgebrauch verfaßt (über religiöse Themen natürlich auch). Schon sein Vorgänger Ricci hatte chinesische Bücher geschrieben, wobei man an der Handschrift noch ablesen kann, daß er sich große Mühe geben mußte. Schalls Nachfolger Verbiest schrieb schon feinstes Chinesisch. Seine lateinischen Versionen dieser Geschichtswerke gelten als Grundlagen der europäischen Sinologie.
Tatsächlich war die Wirkung der jesuitischen Berichte aus China in Europa enorm stark. Man hatte wohl durch Nachrichten aus Amerika von Azteken und Inkas schon gespürt,. daß die Achse Rom-Athen-Jerusalem nicht das letzte Wort in Sachen Kultur auf der Erde sei, aber der Schock, den die Kenntnisnahme der chinesischen Kultur dem Europäer versetzte, war vor allem für die katholische Kirche katastrophal. Konfuzius begeisterte die Aufklärer. 1669 nahm Leibniz die Anregungen aus China auf und zog mit seiner Schrift "Novissima Sinica" 28 Jahre später das Fazit. Seine binäre Mathematik (1703), die heutige Grundlage der Computertechnik, resultierte direkt aus der chinesischen Philosophie.
Der Kirche wurde himmelangst. Es ging vor allem um das geschichtliche Problem: Entweder war die im Alten Testament festgelegte Vorstellung von der Weltgeschichte korrekt, also die Annahme einer großen Flut und die Abstammung aller Menschen von dem überlebenden Noah, dazu das gesamte weitere Zeitmaß, oder die chinesische Überlieferung legte neue Maßstäbe für die Weltgeschichte. Martin Martini hatte darum schon 1658 eine erste lateinische Darstellung der chinesischen Geschichte von den Anfängen bis zur Zeit von Christi Geburt gebracht. Pater Couplet legte 1687 eine Korrelierung der chinesischen und abendländischen Chronologie vor, die als Ziel eine völlige Vereinheitlichung der beiden Geschichtssysteme vorsah; 1728 erschien die verbesserte dreibändige Ausgabe, die grundlegend wurde.
6. Die Chroniken der Tang
Mit seiner Geschichte der Tang-Dynastie (in den "Mémoires", Bd. 15 und 16) gelang dem genialen Antoine Gaubil ein Werk, das selbst für die chinesische Geschichtsschreibung vorbildlich wurde. Die Zeit des 7. bis 9. Jahrhunderts war ja gerade der wichtigste Bereich, der neu gestaltet werden mußte, wenn Illigs These stimmt. Gaubils Buch bringt Nachrichten über jenen Zeitraum, die nicht einmal in chinesischen Werken jener Zeit zu finden waren, wie Rowbotham (1942) feststellt. Durch ihre überragende Stellung am Hofe konnten die Jesuiten Chinas Weltbild entscheidend prägen.
Ich übergehe die weiteren Werke dieser genialen Männer und möchte nur noch die Chroniken der Tang einer kurzen Prüfung unterwerfen. Zum Glück hat ein hervorragender Kenner Chinas, Denis Twitchett von der Princeton University, sich gerade (1992) mit der offiziellen Geschichtsschreibung der Tang-Dynastie in einer Monographie befaßt. Leider haben die Tang-Annalen, sagt Twitchett, "nicht im Original überlebt, aber ihre Substanz ist uns in einem Werk erhalten, das zu Beginn der Sung-Zeit vollendet wurde ... und eine unserer wichtigsten Quellen für die Geschichte der Tang bildet." Aber auch dieses Buch gibt es nicht im Original, sondern nur in Zitaten, die nicht miteinander übereinstimmen. Genaugenommen wurde der Text erst im 18. Jahrhundert bekannt. Eine Notiz von 1697 besagt, daß diese Chronik nur als ein einziges Manuskript die Zeit überdauert habe und außerdem zahlreiche Einschübe und Irrtümer enthalte. Weitere kleine Manuskriptstücke, die man später fand, stammen bestenfalls aus der Ming-Zeit im 17. Jahrhundert. Dabei gehören einige Kapitel offensichtlich nicht zum echten Text, sondern wurden später angefügt beziehungsweise "rekonstruiert", eine sehr bewußte Arbeit, wie Twitchett anmerkt, aber "ohne historischen Wert."
Diese Tang-Chronik sei 961 fertig geworden, eine Parallelarbeit zwei Jahre später. Beide hatte man in Eile zusammengestellt, indem man die angeblich zugrundeliegenden Annalen (die es nicht gibt), "Abschnitt für Abschnitt aufgeblasen" hat. Die Schnittstellen seien noch deutlich erkennbar. Die Notizen sind sprunghaft und gehen angeblich auf ein 945 erschienenes Geschichtswerk zurück.
Die frühesten Aufzeichnungen der Tang-Zeit - das heißt von Kaisern, die einen Stab von Hofchronisten beschäftigt haben sollen - wurden also frühestens eine Generation nach dem Untergang der Tang abgefaßt. Bekannt wurden sie erst 700 Jahre später.
Des weiteren erwähnt Twitchett die "Wahrhaftigen Aufzeichnungen", wobei die für Kaiser Hsiuan-Tsung (um 850) "probably fictitious" (wahrscheinlich erfunden) sind. Die Aufzeichnungen für die Späten Tang (906-960), die m. E. möglicherweise als historisch gelten können, wurden erst ein Jahrhundert später niedergeschrieben. Selbst die Angaben über die Kapitelzahl - in chinesischen Werken eine Grundbedingung - variieren laut Twitchett um 50%, denn die Werke gingen schon in der Sung-Zeit größtenteils verloren.
"Unglücklicherweise", sagt er (S. 200) weiter, "können wir nirgends den Herausgabevorgang im einzelnen nachvollziehen, da für jedes beliebige Ereignis selten mehr als eine - höchstens zwei - Stufen der Zusammenfassung überleben." Und ebendort: "Es besteht auch keine Frage, daß die Historiker in einigen Fällen mutwillig den Bericht der Ereignisse verdreht haben. ... Einige der noch bestehenden Geheimnisse der T'ang-Geschichte sind gerade deshalb geheimnisvoll, weil der Bericht so verbogen ist, daß er nicht geglättet werden kann und keine unabhängigen Zeugnisse erhalten sind, um sie zu lösen."
(S. 201): "Moderne Historiker finden die Annalen gewöhnlich den am wenigsten fruchtbaren Abschnitt der Standardgeschichte, nämlich eine reine Kette von Ereignissen, offiziellen Ernennungen und Vorkommnissen bei Hofe, hauptsächlich nützlich, um eine Chronologie zu erstellen, denn sie liefern exakte Daten, doch ohne den erzählerischen Faden oder irgendwelche Einblicke in die Gründe."
Das kommt mir sehr bekannt vor, dieses Bestreben, erst einmal ein Chronologiegerüst zu erstellen. Mit der Zeit würden Geschichtsschreiber es wohl mit Fleisch und Blut auffüllen.
Dies geschah in China durch nachträgliche "Monographien" zu einzelnen Themen wie Wagenformen und Kleidung, Staatsfinanzen und Musik, Kalender und Astronomie. Sie passen zu vielen Epochen. Zum Thema Literatur gibt es da auch eine Überraschung: Eine Inhaltsangabe des Katalogs der Schriften der kaiserlichen Sammlung der Tang mit Vorwort von 940. Twitchett sagt dazu: "Unglücklicherweise wurde bei der ersten Abfassung dieser Monographie entschieden, die Ergänzung ... über die buddhistischen und taoistischen Werke der kaiserlichen Bibliothek mit 2500 Titeln wegzulassen."
Das ist ein Kunstgriff, der viel verrät. Die Jesuiten mußten sich nämlich in zwei Richtungen absichern: Einerseits führten sie einen erbitterten Kampf gegen Buddhisten und Taoisten, weil ihnen diese religionsähnlichen Systeme Konkurrenz machten, - sie drängten also die gebildeten Chinesen, zu einem gereinigten Konfuzianismus zurückzukehren. Und andererseits mußten sie für die Kirche eine Formel finden, die ihre "Kanonisierung des Konfuzius" rechtfertigte. Prémare, Bouvet und ihre Anhänger, die man die "Figuristen" nannte, legten fest, daß Japhet, Noahs Sohn, als Gesetzgeber den Chinesen die ursprüngliche Form der Religion gebracht hatte, eine Art Monotheismus, an die das geheimnisvolle Buch I-King noch Erinnerung bewahrte.
In der eben erwähnten Unterschlagung der taoistischen und buddhistischen Literatur der Tang-Bibliothek und alleinigen Überlieferung konfuzianischer Werke sehe ich die direkte Einwirkung der Jesuiten, die mittels ihrer Schriften die glanzvolle Epoche der Tang den Mandschu-Kaisern als Vorbild darstellten. Da sie in dem äußerst schriftkundigen China für diese Erfindungen nicht in der naiven Weise der Abendländer eine "karolingische Minuskel" erfinden konnten, mußten sie sämtliche Tang-Annalen als nachträgliche Zusammenfassung der nachweislich geschichtlichen Sung erscheinen lassen.
7. Schlußfolgerung<
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Die vielleicht nachhaltigste Wirkung jesuitischer Arbeit lag wahrscheinlich in der Neugestaltung der chinesischen Chronologie und ihrer Korrelierung mit den abendländischen Jahreszahlen.
Die Schaffung eines geradlinigen chronologischen Systems war für die an zyklische Zeiträume gewöhnten Chinesen durchaus neu; sie erfolgte nach "lateinischem" Vorbild, und insgesamt gesehen im Sinne der katholischen Kirche. Der ganze Vorgang hat anderthalb Jahrhunderte gedauert und wurde schließlich von den Chinesen (ab 1735) gewaltsam beendet. Er ist bis heute Grundlage aller Geschichtswerke, der chinesischen wie der europäischen.
Gewiß hatte die Kirche einen berechtigten Grund, ihre chronologische Sicht der Weltgeschichte durchzusetzen. Wenn man die Panik sieht, die damals im Vatikan spürbar wurde, als man die Überlegenheit der chinesischen Schriftkultur erkannte, und wenn man das Datum der ersten Gesandtschaft nach Peking beachtet, nämlich Pater Riccis Reise 1583, also direkt nach der gregorianischen Kalenderreform (Oktober 1582), dann erfaßt einen Bewunderung für den äußersten Wagemut und die Beharrlichkeit sowie die überragende Intelligenz dieser Missionare, die die dringendste Verteidigung ihrer geistigen Werte mitten in Feindesland trugen, um einen berechtigterweise gefürchteten Sturm abzuwenden. Mit der Festlegung der Geschichte in China haben sie ihr Ziel erreicht, den vermutlich einzigen Hebel, der außerhalb der katholischen Geschichtsschreibung existierte, außer Kraft zu setzen.
Durch die absichtliche Einfügung der Tang-Zeit als Glanzepoche Chinas mit praktisch genau denselben Begrenzungszahlen wie die "Phantomzeit" im christlichen Abendland ist allerdings der positive Beweis erbracht, daß hier eine genau kalkulierte Geschichtsfälschung vorliegt. Wenn es zunächst wie der Versuch aussah, Illigs These von der Streichung von drei Jahrhunderten im Mittelalter durch ein unabhängiges Zeitsystem, hier die Chronologie Chinas, zu Fall zu bringen, so hat sich nun das Gegenteil ergeben. Durch die Erkenntnis, daß China keine eigene kohärente Chronologie besaß, sondern nur Gruppen und Blöcke in Form von Dynastien, die erst durch katholische Missionare zu einem fortlaufenden Zeitstrahl aufgereiht wurden, der der christlichen Vorstellung von der apokalyptischen Zeit entspricht, ist eine Bestätigung für Heribert Illigs These gefunden.
Literatur
- Altheim, Franz (1959-62): Geschichte der Hunnen (4 Bde., Berlin)
- Balázs, Stefan (Etienne) (1931-33): Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der T'ang-Zeit (618-906), in: Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen zu Berlin, 34 (1931), 1-92; 35 (1932): 1-73; 36 (1933): 1-62.
- Bauer, Wolfgang (Hrg.) (1980): China und die Fremden. 3000 Jahre Auseinandersetzung in Krieg und Frieden (München).
- Brinker, Helmut und Goepper, Roger (1980): Kunstschätze aus China. Katalog (Zürich)
- Couplet, Phil. (1687/ 1728): Tabula chronologica Monarchiae Sinicae
- Enzyklopädie des Islam
(1913-34) (Leiden und Leipzig)
- Franke, O. (1938): Li Tschi und Mateo Ricci, in: Abh. Preuß. Akad. d. Wiss. Nr. 5 (Berlin1939)
- Gernet, Jacques (1972): Le Monde chinois (Paris ; dtsch Frankfurt/M 1979)
- Hibbert, Eloise T. (1941): Jesuit Adventure in China during the Reign of K'ang Hsi (New York)
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